Die Straße für den Wachtelkönig

Die Ortsumgehung Finkenwerder und die Autobahn 26 zwischen Hamburg und Stade könnten an dem seltenen Bodenbrüter im Moorgürtel scheitern. Eine Lösung muss her, mit der alle leben können

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Am Ende könnte der Wachtelkönig der Gewinner sein. Am Mittwoch nächster Woche soll eine Patentlösung für den Süderelberaum gefunden werden, mit der alle leben können: die Einwohner von Finkenwerder und Neugraben, die Obstbauern von Francop und Neuenfelde und eben auch der seltene Wiesenbrüter im Naturschutzgebiet Moorgürtel. Die Trasse der Autobahn 26 zwischen Hamburg und Stade steht zur Debatte bei einem Treffen in der Baubehörde, die Ortsumgehung Finkenwerder sowie die Entschädigung der Landwirte durch einen 42 Millionen Euro schweren Fonds.

Im November 2006 hatte der damalige Baustaatsrat Axel Gedaschko (CDU) eine Rahmenvereinbarung zwischen der Stadt und den betroffenen Obstbauern präsentiert. Letztere geben 87,6 Hektar Ackerland im Norden des Gebietes her, das für den Bau der Ortsumgehung Finkenwerder gebraucht wird. Im Gegenzug erhalten sie im Südwesten 200 Hektar Land, sämtliche Kosten für die Erschließung und Bereitstellung trägt die Stadt durch den Fonds. Wichtigstes Detail der Vereinbarung: Die Trasse der A 26 soll so weit südlich wie möglich am Naturschutzgebiet Moorgürtel verlaufen.

Nun aber muss neu verhandelt werden, denn ein Lärmgutachten des Instituts für Landschaftsökologie in Kiel im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums kommt zu dem Schluss, dass die Autobahn die Existenz des Wachtelkönigs bedroht. Denn der streng geschützte Rallenvogel gilt als sehr lärmempfindlich. Der Verkehr auf der Moorautobahn könnte ihn vertreiben – und das brächte Deutschland und Hamburg mächtigen und teuren Ärger mit der Europäischen Union ein.

Die achtet seit neuestem strenger auf die Einhaltung ihrer Naturschutzrichtlinien wie Flora-Fauna-Habitat und strengt schon mal Bußgeldverfahren an gegen Bundesländer wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen, die zu wenige Vogelschutzgebiete ausweisen.

Der scheue Bodenbrüter hatte bereits in den 90er Jahren eine Großsiedlung für mehr als 3.000 Menschen in Neugraben-Fischbek vereitelt. Diese wird jetzt eine Nummer kleiner realisiert – und mit einem 800 Meter langen Wassergraben vom Naturschutzgebiet abgetrennt. Er soll verhindern, dass streunende Hunde und Katzen der künftigen Anwohner den etwa 30 Wachtelkönigpaaren und ihrem Nachwuchs nachstellen.

Gedaschko, seit Februar selbst zum Bau- und Umweltsenator aufgestiegen, muss nun seine Vereinbarung mit den Obstbauern vom vorigen November retten. Würde die Trasse der A 26 weiter nach Norden verlegt, würden deren Ersatzflächen kleiner. Nicht auszuschließen ist, dass einzelne Landwirte dann die Vertragsunterzeichnung verweigern. Das aber würde die Ortsumgehung gefährden, die Finkenwerder von rund 30.000 Autos entlasten soll, die täglich durch den Stadtteil rauschen.

Nun ist davon die Rede, das sieben Kilometer lange Teilstück der A 26 nördlich von Neugraben zwischen der A 7 bei Moorburg und der Grenze zu Niedersachsen wie ursprünglich geplant so weit südlich wie möglich zu realisieren. Lärmschutzwände, Schutzwälle und Lärm schluckender Flüsterasphalt werden erwogen, selbst ein Tempolimit von 120 Stundenkilometer könnte erlassen werden. Damit dieses auch eingehalten wird, könnten engere Kurvenradien nützlich sein, als sie auf deutschen Autobahnen üblich sind. Denn nicht mehr als etwa 52 Dezibel Verkehrslärm verträgt der kleine Vogel – ein LKW jedoch produziert im Normalbetrieb etwa 90 Dezibel.

Die Lösung aller Probleme wollen Baubehörde, Bundesverkehrsministerium, Landwirte und deren Anwälten nun in neun Tagen finden. Bis zur grundsätzlichen Einigung sei es schon „ein langer Weg gewesen“, hatte vor neun Monaten Reinhard Quast gesagt, der Sprecher der Obstbauern. Bis zur „einvernehmlichen Klärung aller Einzelheiten“ stehe allen Seiten „noch ein steiniger Weg bevor“. Der Mann hat wohl Recht behalten.