: Werder hofft auf den Phoenix-Effekt
Vier Niederlagen, viele Verletzte, unzufriedene Spieler – Werders Saisonvorbereitung knüpft an die Rückrunde an. Kein Grund, Trübsal zu blasen: Das neue Mittelfeld mit Alberto und Diego verspricht, die Spielkultur weiter zu steigern
Bei der Saisoneröffnung von Werder Bremen ist diesmal nichts wie sonst. Die offizielle Feier für die Fans wurde übertönt von etwas, das der Verein lange nur von der Konkurrenz kannte: hässliche Nebengeräusche.
Und die klingen wie ein Echo der verpatzten Rückrunde: viele Ausfälle, wechselwillige Spieler und jede Menge Sand im Mannschaftsgetriebe. Die Erinnerung an das Saisonfinale ist noch frisch, als eine mental und körperlich ausgelaugte Mannschaft die Meisterschaft fast widerstandslos verschenkte. Nur kurz währte die Hoffnung, nach dem endlich vollzogenen Abschied von Störenfried Miroslaw Klose würde die jahrelang bekannte Harmonie wieder einkehren.
Fast jeder wurde während der Vorbereitungszeit verletzt. Zuletzt fehlten noch Hugo Almeida, Daniel Jensen, Aaron Hunt, Torsten Frings, Patrick Owomoyela und Pierre Wome im Training – mindestens die letzten drei fallen noch Wochen aus. Doch über Blessuren klagt nicht nur Werder. Insgesamt 60 Bundesliga-Spieler sind außer Gefecht.
Wirklich Sorgen bereitet etwas anderes, wie Manager Klaus Allofs nach der 1 : 2-Blamage in Paderborn einräumen musste. „Die Mannschaft ist insgesamt nicht gut drauf“, kritisierte er. „Gestern hat sich niemand gegen die Niederlage aufgelehnt, da war kein ausgeprägter Wille zum Sieg zu erkennen.“
Als Seismograph für die Stimmung in der Mannschaft darf deren dienstältestes Mitglied gelten: „Sonst habe ich mich nach dem Urlaub immer auf Fußball und Werder gefreut – das war diesmal irgendwie anders“, sagte Christian Schulz der Syker Kreiszeitung.
Jahr für Jahr wurden Werders letztem Eigengewächs neue Linksverteidiger vor die Nase gesetzt. Jetzt hat er die Bankdrückerei genauso satt wie der bislang ausgeliehene Leon Andreasen, der in Mainz zum Führungsspieler gereift ist. Durch die Verletzungen von Frings und Wome stehen beide plötzlich wieder in der ersten Reihe. Doch während Andreasen die Chance nutzen und um seine Zukunft bei Werder kämpfen will, beißt Schulz, der fast schon in Hannover war, notgedrungen in einen sauren Apfel: „Dann bleibe ich eben noch ein Jahr.“
Gekämpft hat Werder nicht um sein letztes Eigengewächs und sogar von Thomas Schaaf, der über Miroslav Kloses unwürdige Abschiedsinszenierung bis zuletzt kein böses Wort sagen wollte, kam öffentliche Kritik. Das verstehen viele Fans genauso wenig, wie die Entscheidung, den beim HSV gescheiterten Boubacar Sanogo als Sturmersatz zu verpflichten.
Es sind ungewohnte Töne für Werder, wenn Christian Schulz von „denen da oben“ spricht. Werders größtes Plus war immer die Selbstverantwortung der Mannschaft – aber deren Umgangsformen stecken irgendwo zwischen alter Harmonie und neuer Streitkultur fest.
Bei allen Sorgen um Angriff und Teamgeist gerät fast in Vergessenheit, welche Köstlichkeiten Werders Wundertüte in der neuen Saison enthält: Mit Naldo und Mertesacker steht die beste Innenverteidigung der Liga erstmals von Beginn an zur Verfügung und im Mittelfeld verspricht das brasilianische Zauber-Duo Alberto / Diego noch eine Steigerung der traditionell hohen Spielkultur.
Wer dennoch pessimistisch bleibt, sollte genau vier Jahre zurückdenken: am 30. Juli 2003 blamierte sich Werder mit 0 : 4 im UI-Cup beim FC Superfund Pasching, wurde zum Gespött der Liga und gewann anschließend das Double. RALF LORENZEN