Willkommen in der Endlosschleife

PERFORMANCE Achtung: Dieser Text enthält Hinweise auf Ohrwürmer. Das ist gewollt, denn genau damit beschäftigt sich der australische Künstler und Sänger Damian Rebgetz am HAU. Sogar mitsingen darf man

VON JENS UTHOFF

Hooklines können ganz schön fiese Dinge mit einem anstellen. Sie können zum Beispiel tagelang unser Unbewusstes belagern – dann nennt man sie im Deutschen auch Ohrwürmer und würde sie liebend gern wieder loswerden. Hooklines, so heißen eingängige Parts von Popsongs, die meistens im Refrain, manchmal aber auch in den Bridges oder den Strophen vorkommen. Kein Wunder, dass das englische Wort mit Termini aus der Welt des Angelns – „hook“ für Haken und „line“ für Schnur – daherkommt. Selten lassen sie einen wieder los.

All dies musste man wissen, wenn man die Premiere des Stücks „The Hooks“ am Donnerstagabend im HAU 3 besuchte. Denn Hooklines sollten das Thema der Performance des australischen Künstlers und Sängers Damian Rebgetz sein. Da Rebgetz bereits wenige Minuten nach Beginn schwitzig-schwülstige 80er-Pop-Classics wie „Take my breath away“ (übrigens von der kalifornischen Popband Berlin) und „I wanna know what love is“ von Foreigner sang und neu interpretierte, war man auch schnell im Thema drin.

Mit dem Stück, seinem zweiten am HAU, widmet sich Rebgetz gleichzeitig seinem Kernthema: der Verbindung von Biografie und Musik. Zuletzt zeigte der 36-Jährige, der in seiner Wahlheimat Berlin an der UdK einen Master in „Sound Studies“ machte, im vergangenen Jahr in dem Musiktheaterstück „Something for the fans“, wie Geräusche und Sounds seine eigene Biografie prägten. Die materielle Kraft der menschlichen Stimme war Thema seiner Performance „Voice Box – that thing in your throat“ gewesen.

In der Black Box

In „The Hooks“ stellt er Hooklines mithilfe des psychologischen Phänomens der Black Box dar – denn wir wissen ja nicht, wie und warum dieser Ohrwurm da tagelang in uns herumschwirrt. So ist die Bühne auch symbolisch ganz in schwarz gehalten und mit einer weißen Umrandung versehen. Dazu kommt ein großer, schwarzer Würfel, auf dem Tänzerin Anna-Luise Recke zu den Songs halsbrecherische Figuren vorführt. Rebgetz moderiert derweil meist auf Englisch locker-lakonisch durch die Show – „ja, dies ist eine Show, meine Damen und Herren“ – und spricht mit Tänzerin Recke, seinem tollen Pianisten Paul Hankinson und Emma Cattell, die am Overheadprojektor die Wandprojektionen beisteuert wie Sidekicks in einer Comedyshow.

Am besten ist der Abend in der Tat dann, wenn er wie eine Art 20er-Jahre-Revue daherkommt; wenn der Australier im Plauderton tragikomische Witzchen macht, ehe er, meist nur vom Klavier begleitet, bekannte Hooklines der Popgeschichte zitiert. Es sind tolle, eigenständige Coverversionen darunter: „Girls just wanna have fun“ von Cindy Lauper, „Fight for your right to party“ von den Beastie Boys oder „Kiss“ von Prince sind Neuinterpretationen mit völlig anderem Rhythmus, elegant und stilsicher.

Und wenn „Ich war noch niemals in New York“ (Udo Jürgens) nahtlos in Frankie goes to Hollywoods Song „Relax“ übergeht, ist das großartig – und zeigt, wie nahe die Hooklines beieinander liegen.

Einblicke ins Liebesleben

Es gibt noch einen weiteren thematischen Strang an dem Abend: Das sind erotische Geschichten aus dem (schwulen) Liebesleben des Icherzählers, die Rebgetz episodenartig in den Liedzyklus einstreut; sie trägt er, von einer Ausnahme abgesehen, auf Deutsch vor. Bei den Stories weiß man nicht immer, in welchem Zusammenhang sie zum Thema stehen.

Nur zum Schluss kommt der Performer über das Thema SM-Sexualität zum „Hook“ zurück: Die letzte Episode handelt davon, wie der Erzähler sich Haken in den Rücken bohren lässt und an Ketten durch die Luft schwingt. Der Plot aber – erzählt als Parallele zwischen der SM-Praxis und den Haken, die die Melodien im Gehirn schlagen – gerät zu konstruiert und simpel.

Und wieder Udo Jürgens

Von diesem Schwachpunkt abgesehen funktioniert das Konzept, weitestgehend auf musikwissenschaftlichen Input zu verzichten und stattdessen auf Eigeninterpretationen zu setzen. Zwei Stunden dauert die Revue, dann ist zur Zugabe noch mal Udo Jürgens dran, beziehungsweise sein Stück „Liebe ohne Leiden“, passend zu den zuvor beschriebenen Praktiken. Nun holen die Performer das Publikum zum Teil auf die Bühne; es darf – vielleicht sagt man in diesem Fall besser: muss – mitsingen. Der ein oder andere mag mit Udo Jürgens im Kopf am Morgen danach aufgewacht sein.

■ Damian Rebgetz: „The Hooks“. HAU 3, Tempelhofer Ufer 10. Weitere Auführungen: Samstag, 13. 12., 20 Uhr, Sonntag, 14. 12., 17 Uhr, 14,30 Euro, ermäßigt 8,80 Euro