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Archiv-Artikel

Lobby schaltet, Politiker waltet

Ein hessischer CDU-Parlamentarier lässt sich von Waffenfirmen viel Geld für Anzeigen in seinem Lokalblatt bezahlen. Im Bundestag entscheidet er über Rüstungsaufträge mit

Welcher Winzer kauft schon Marschflugkörper, fragt die hessische Opposition

FRANKFURT/MAIN taz ■ Sie sind Winzer im schönen Rheingau und brauchen das unbemannte Aufklärungsflugzeug „Eurohawk“ des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS zur schnellen Ortung von Schädlingen in Ihren Weinbergen? Oder Sie wohnen im noblen Taunusort Schlangenbad und möchten das Sicherheitssystem Ihrer Villa mit Marschflugkörpern des Raketenherstellers MDBA sinnvoll ergänzen?

Kein Problem. Ein Blick in den Rheingau-Taunus Monatsanzeiger, dessen Herausgeber der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch ist, genügt. Denn Raumfahrt- und Rüstungskonzerne wie EADS, MDBA oder der Zulieferer Eurojet schalten regelmäßig farbige Anzeigen in dem kostenlosen Anzeigenblättchen mit einer Druckauflage von 90.000 Exemplaren.

Warum aber inserieren weltweit agierende Luftwaffenausstatter ausgerechnet „in einem so unbedeutenden Blättchen“, wie die Bündnisgrünen im Hessischen Landtag nachfragten? Weil auch Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung ganz privat in Eltville im Rheingau wohnt? Wohl kaum. Bei der Anzeigenserie in dem Blättchen handele es sich vielmehr um eine Maßnahme im Rahmen der „politischen Landschaftspflege“ der Rüstungskonzerne, so die Mutmaßungen der hessischen Bündnisgrünen und Sozialdemokraten. Schließlich gehöre Herausgeber Willsch in Berlin dem Haushaltsauschuss des Bundestages an, wo er als Berichterstatter für Raumfahrt zu den einflussreichsten Mitgliedern gehört. Die „Scheinanzeigen“ hätten ansonsten „keinerlei werblichen Wert“, sagte gestern der Generalsekretär der hessischen SPD, Norbert Schmitt. Es könne aber nicht angehen, dass sich die Rüstungsindustrie über die Vergabe von Anzeigenaufträgen im Wert von mehr als 30.000 Euro „einen Abgeordneten hält, der Grundsatzentscheidungen über Rüstungsaufträge trifft“. Entweder verzichte Willsch künftig auf die Unterstützung durch diese Rüstungsfirmen, oder er müsse zumindest aus dem Haushaltsausschuss zurücktreten, so die Forderung von Schmitt.

Der 46 Jahre alte Willsch wies alle Vorwürfe zurück. Die Rüstungsindustrie schalte bei ihm im Blatt nur deshalb Anzeigen, weil er den Monatsanzeiger auch im Bundestag in die Fächer lege und die Kollegen dort ausgesprochen gerne in sein Blatt schauten. Das seien schließlich alles Entscheidungsträger. Im Übrigen habe er die Anzeigen selbst akquiriert, von „politischer Landschaftspflege“ durch die Unternehmen könne also keine Rede sein. Er werde deshalb auch künftig weder auf die Anzeigen verzichten noch seinen Sitz im Haushaltsausschuss räumen.

Einen „eklatanten Mangel an Unrechtsbewusstsein“ bescheinigte daraufhin der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Hessischen Landtag, Tarek Al-Wazir, dem ehemaligen Oberleutnant beim Flugabwehrregiment 5 in Lorch am Rhein. Wenn Willsch nicht Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages wäre, hätten die Rüstungsunternehmen niemals diese Anzeigen im Monatsanzeiger geschaltet, so Al-Wazir. Jetzt müsse der Landesvorsitzende der Union, Ministerpräsident Roland Koch, eingreifen. Die CDU dürfe die Affäre „nicht länger totschweigen“.

Mit einer Anzeigenserie ganz anderer Art war Willsch schon einmal in den Schlagzeilen. Der Volkswirt, der dem Bundestag seit 1998 angehört, sparte sich jahrelang einen Teil seiner „Parteiabgabe“ an die CDU – und gewährte der Partei stattdessen Platz für Anzeigen in seinem Blatt. Das Berliner Kammergericht verurteilte kürzlich diese Praxis. Eine Zahlungspflicht könne nicht mit der Erbringung einer Sachleistung verrechnet werden. Der innerparteiliche Kritiker von Willsch in dieser Sache – ein Gemeindevertreter der CDU aus Hohenstein im Taunus – wurde gerade aus dem dortigen Gemeindeverband der Union ausgeschlossen. Zu den Gründen dafür wollte sich die Gemeindeverbandsvorsitzende nicht äußern.KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT