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Archiv-Artikel

Cameron als „Pfennigfuchser“

NORDIRLAND Die Verhandlungen über die Krise in der Mehrparteienregierung in Belfast sind erfolglos. Trotz eines Auftritts der Premiers Cameron und Kenny bleibt vorerst alles beim Alten. Es geht ums Geld

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Kaum waren sie angereist, da waren sie auch schon wieder weg. Der britische Premierminister David Cameron und sein irischer Amtskollege Enda Kenny haben auch keine Lösung der Regierungskrise in Nordirland zustande gebracht. Die Verhandlungen mit den fünf nordirischen Parteien wurden schon vor dem Wochenende ergebnislos abgebrochen.

Streitpunkte in der nordirischen Mehrparteienregierung gibt es zuhauf. Zum einen geht es um die Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen, die Paraden des antikatholischen Oranier-Ordens durch katholische Viertel, sodann die Debatte um das Hissen des Union Jacks auf dem Belfaster Rathaus an nur 17 Tagen im Jahr sowie Rolle und Bedeutung einer „Wahrheitskommission“ zur Aufarbeitung des Konflikts, in dessen Verlauf mehr als 3.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Der US-Diplomat Richard Haas war voriges Jahr als Vermittler eingeschaltet worden und hatte Lösungsvorschläge gemacht, die von den protestantisch-unionistischen Parteien jedoch abgelehnt wurden.

Dieses Mal scheiterten die Verhandlungen vor allem am Geld. Der britische Sparhaushalt trifft Nordirland hart, weil er einen massiven Stellenabbau im öffentlichen Dienst erfordert. Arbeitsplätze in anderen Bereichen sind jedoch Mangelware. Cameron hatte Nordirland eine Milliarde Pfund zusätzlich über die kommenden fünf Jahre in Aussicht gestellt. Bedingung war jedoch, dass sich die Parteien zuvor einigten.

Alle fünf Parteien lehnten das Finanzpaket aber mit der Begründung ab, dass es ein Schwindel sei: Es handle sich bei dem angebotenen Geld um einen vom britischen Finanzministerium längst genehmigten Kredit. Cameron versuche, sie mit ihrem eigenen Geld zu bestechen, sagte der nordirische Premierminister Peter Robinson von der Democratic Unionist Party (DUP). Sinn Féin, der politische Flügel der aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), bezeichnete das Angebot als „lächerlich“. John O’Dowd von Sinn Féin beschimpfte Cameron als „buchhalterischen Pfennigfuchser“. Der Premierminister reiste daraufhin ab und hinterließ sein 18-seitiges Vorschlagspapier. Sein Sprecher sagte dazu: „Er wollte nicht länger herumhängen, weil es keine Aussichten auf einen Deal gab.“

Der irische Außenminister Charlie Flanagan und die britische Nordirland-Ministerin Theresa Villiers werden am Mittwoch erneut nach Belfast reisen, um mit den Parteien bis Weihnachten nach einer Lösung zu suchen.

Es sieht dennoch nicht gut aus für Nordirlands Mehrparteienregierung, denn die Fronten sind verhärtet. Die Machtteilung zwischen katholisch-nationalistischen und protestantisch-unionistischen Parteien war das Ergebnis von jahrelangen Verhandlungen, die 1998 in das Belfaster Karfreitagsabkommens mündeten. Nach mehreren Rückschlägen wurde die Regierung schließlich im Mai 2007 formiert. Falls es den Parteien nicht gelingt, den Streit zu lösen, droht wieder die Direktherrschaft aus London.