: berliner szenen Film ab!
Neukölln-Enttäuschung
Es passiert ganz plötzlich. Wir machen noch, verdutzt, einen weiteren Spaziergangsschritt, ehe wir innehalten. Der Mann, der soeben ein paar Dutzend Meter vor uns über jenen Zaun geklettert ist, der die Hasenheide von der Straße abgrenzt, sieht sich zwar gehetzt um, beachtet uns, die wir schon etwas zusammenzucken, allerdings überhaupt nicht.
Er schaut im Schein der Straßenlaternen nach links, nach rechts und vor sich und kann sich offensichtlich nicht entschließen, wohin er nun soll. Ein Blick in den Park hilft ihm jedoch, sich zu entscheiden, denn nun geht er, betont langsam, aber entschlossen in unsere Richtung los. Und wir sehen jetzt die beiden Lichter, hören dann leise das Motorengeräusch und wissen: Razzia. Durch den Park fährt um diese Zeit ja nur die Polizei. Langsam nähert sich der Polizeiwagen – wir sehen: Es ist ein Mannschaftswagen.
Der Typ vor uns greift in seine Tasche, wirft etwas hinter die Autos und schreitet schnell an uns vorbei. Wir gucken immer noch dumm, auch, als der Polizeiwagen bereits in die Straße eingebogen ist, allerdings in die andere Richtung, weg von uns und dem Gehetzten. Wir drehen unsere Köpfe zurück – von dem Zaunkletterer ist keine Spur mehr zu entdecken. Wir sehen uns an, B. und ich. Und dann, wie auf Verabredung, obwohl wir nicht gesprochen haben, eilen wir zu dem Ort, an dem das Zeug, das er weggeworfen hat, liegen muss, und gucken, was es ist. Hasch? Kokain? Was ganz Verbotenes? Elf Dutzend Mafiafilme gehen uns durch den Kopf. Doch das Zeug ist und bleibt, auch als wir dagegentreten, nichts weiter als ein schmutziges Taschentuch. Wir sind maßlos enttäuscht. Schon wieder kein Abenteuer in Neukölln. JÖRG SUNDERMEIER