Tiefer in den Wald hinein

MÄRCHENTHEATER Im Stück „grimm & graus“ des freien Theaters „fensterzurstadt“ wird der Gang in den Märchenwald zur Reise ins Unbewusste. Spielort ist eine Tankstelle in Hannover

Es war einmal – und es wird wieder geschehen. Der Weg zu sich selbst führt immer auch auf die dunkle Seite des Bewusstseins, in ein vorrationales, geradezu magisches Reich, in dem ungeahnte Kräfte ihr Unwesen treiben. „Jetzt gehen wir noch einmal, aber tiefer in diesen Wald hinein“, verspricht Regisseur und Schauspieler Carsten Hentrich für seine zweite theatrale Auseinandersetzung mit den Grimm’schen Märchen.

Vor sieben Jahren hatte das von ihm und Ruth Rutkowski in Hannover geleitete Theater „fensterzurstadt“ „Das Mädchen ohne Hände“ als Ausgangspunkt für einen Assoziationstrip genommen – mit den Händen als Symbol für Selbstständigkeit. Auch „graus & grimm“ bietet nun wieder einen anspielungsreichen Märchenmix – eine Inuit-Sage soll genauso verarbeitet werden wie „Allerleirauh“, „Die Bremer Stadtmusikanten“ und der Film „Blair witch project“.

„Auf der Bühne ist der Gang in den Wald der ins Leben und ins Unterbewusste“, erklärt der Regisseur. Gestartet werde mit Wünschen, Projektionen, Idealen. „Aber die gemachten Erlebnisse verwirren die Lebenspläne“, so Hentrich. Man müsse Furcht wecken und das Tor zur Fantasie öffnen, um Möglichkeiten zu erkunden, wie mit unsern Triebkräften umzugehen ist, den wärmend lichten wie den erschreckend tiefschwarzen. Damit das auch gruselschön befreiend klingt, addieren die Künstler zum deutschen Volksgut Märchen deutsches Liedgut und malen mit einem gesampelten Soundtrack die Atmosphäre üppig aus.

Ein „Off-Off-Theater“ sei „fensterzurstadt“, steht auf der Website. Das aber sei falsch, sagt Hentrich. Denn die Institution werde sowohl von der Stadt (Grundförderung: 38.000 Euro /Jahr) als auch dem Land (Konzeptförderung: 30.000 Euro / Jahr) unterstützt. Zwei Eigenproduktionen seien so pro Spielzeit möglich, vom jeweils neu zusammengestellten Team kollektiv erarbeitet. Bekannt ist die Bühne für ihre Stadtraumprojekte, beispielsweise eine Reise ins Amtsgericht als Tour durchs Labyrinth der Gesetzgebung oder ein Stück über das Ihme-Zentrum in diesem Stadtentwicklungs-Wahnmal. „Wir gehen immer von Utopien der Menschen aus“, sagt Hentrich, „und untersuchen, was der entsprechende Ort bei Bewohnern, Angestellten, Besuchern damit macht.“

Basiscamp der Künstler ist seit sieben Jahren aber eine 50 Jahre alte Tankstelle. Dort wird nun auch die Bühne des Unbewussten aufgebaut – und weihnachtlich ausgestattet: „Unser Stück ist ein Appell ans Leben“, sagt Hentrich, „und mit weißem Konfetti lassen wir es auch richtig schneien.“  JENS FISCHER

■ Premiere: Sa, 20. 12., 20 Uhr, in der Alten Tankstelle Striehlstraße 14, Karten unter ☎ 0511 / 22 02 19 12.