LESERINNENBRIEFE
: Angst vor der Hebamme?

RISIKO GEBURT Eine Hebamme macht Fehler bei der Geburtsvorbereitung, das Krankenhaus patzt ebenfalls. Das zur Welt gebrachte Kind ist schwerstbehindert. Anwälte werden eingeschaltet. Wer trägt die Verantwortung? Wo ist Gebären „sicher“?

Sex in der Klinik

■ betr.: „Timo will leben. Dann soll er“, taz vom 13. 12. 14

Liebe Anne Fromm, diesen Artikel hätten Sie auch über eine Klinikgeburt schreiben können. Ich hoffe, das ist Ihnen bewusst. Ich frage mich, warum Sie das natürliche Risiko einer Geburt so beschreiben – hätte man es nicht vermeiden können? Mein Kind fällt beim Bäumeklettern herunter – Aufsichtspflichtverletzung? Mein Cousin stirbt bei einem Autounfall – sollten wir nicht die Autos abschaffen? Die technischen Risiken – von Atomkraft, Waffen bis zu Autos – nimmt diese Gesellschaft gerne in Kauf. Weil es uns was bringt?

Natürliche Risiken sollten dagegen vermieden werden – das ist ja nur Romantik. Sobald sich herausstellt, dass schon bei der Befruchtung vieles schiefgehen kann, werden die Leute zum Sex in die Klinik gehen! Schöne neue Welt!

DANIELA FALKENBERG, Marburg

Anonymes System

■ betr.: „Timo will leben. Dann soll er“, taz vom 13. 12. 14

Eine Geburt ist aus meiner Sicht grundsätzlich mit Risiken verbunden, unabhängig davon, ob man sich für Klinik, für Geburtshaus oder Hausgeburt entscheidet oder auch wider Erwarten im Auto etc. ein Kind bekommt. Ich habe mich, wie die Familie in dem Artikel, nach einer ersten Geburt in der Klinik bei der zweiten Geburt für eine Hausgeburt entschieden – nicht weil ich eine „natürliche“ Geburt wollte, sondern weil das für mich die „sicherere“ Variante war. Mir hat es gerade Sicherheit gegeben, eine feste Ansprechpartnerin zu haben, die ich schon vor der Geburt intensiv kennenlernen konnte und die meine Ängste und Sorgen ernst nahm. Im Krankenhaus ist man einem anonymen System ausgeliefert, hat mit Schichtwechseln und zum Teil schlechter Kommunikation und Koordination zwischen den beteiligten Ärzt*innen und Hebammen zu tun. Ich konnte mich in dieser hektischen und unpersönlichen Atmosphäre sehr viel weniger „fallen lassen“ als mit der einen vertrauten Hebamme zu Hause.

Es kann nur darum gehen, diese ohnehin schwierige und in jedem Fall riskante Entscheidung zu respektieren, statt sie durch tendenziöse Artikel zugunsten der ohnehin lobbystärkeren Kliniken unnötig schwieriger und womöglich die Option Hausgeburt in Zukunft unmöglich zu machen.

ILKA SOMMER, Hannover

Etwas einseitig

■ betr.: „Timo will leben. Dann soll er“, taz vom 13. 12. 14

Noch bin ich mir unsicher, wie ich den Artikel einordnen soll. Ist es eine Reportage über Timo oder soll es ein Beitrag zur vorherigen Seite „Hausgeburt oder Krankenhaus?“ sein? Für letzteren Fall ist er aber leider zu einseitig. Auch in Kliniken gibt es Fehler und diese führen zum Teil zu schweren Behinderungen. Und es gibt gute Gründe, nicht in einem Krankenhaus zu gebären: zum Beispiel multiresistente Keime, überfordertes und übermüdetes Personal, und eine Geburt ist keine Krankheit. Die Geburt unseres Sohnes war für das Geburtshaus (nach langem Überlegen) geplant. Da er aber zu schnell war, blieben wir mit der Hebamme (die vorsichtshalber bei uns vorbeischaute) gleich bei uns. Und es war wunderschön.

In Ihrem Artikel wird betont, dass trotzdem jedem die Wahl bleiben sollte. Das wünschen wir uns auch für die Zukunft, selbst wenn nur noch zwei Prozent der Geburten nicht im Krankenhaus stattfinden.

TOBIAS BOHNET, Dresden

Sicher gebären

■ betr.: „Timo will leben. Dann soll er“, taz vom 13. 12. 14

Durch Geburten wie Timos stiegen die Versicherungsprämien innerhalb der Geburtshilfe. Keine Frage. Jedoch finden solch fehlerhaft begleitende Geburten ebenso in Kliniken statt. Diese sorgen gleichermaßen für die unberechenbaren Kosten, von denen sich die Versicherungen nun – erst einmal bei den Hebammen – zurückziehen. Die ärztliche Versicherung wird folgen. In der Geburtshilfe begleiten Menschen Menschen. Mit bestem Wissen und Gewissen. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler oder Fehleinschätzungen, die an dieser Stelle dramatische Folgen haben.

Wäre unser Gesundheitssystem für jede Geburt ausgestattet mit zwei gleich und angemessen bezahlten Hebammen (Vier-Augen-Prinzip) – egal ob klinisch oder außerklinisch – sowie in Ruhe praktisch ausgebildeten, ausgeschlafenen und dadurch aufmerksamen Ärzten unter der Geburt, könnten solche Fehler deutlich minimiert werden. Doch das ist der Mensch dem Staat nicht wert.

Es geht bei diesem Dilemma nicht um die Frage, wo eine Frau sicherer gebären kann – das hat die WHO schon 1996 in ihrem Leitfaden zur „Betreuung der normalen Geburt“ geschrieben: dort, wo die Gebärende sich sicher fühlt. Daran hat sich auch fast 20 Jahre später nichts geändert. Es geht darum, sich politisch und gesellschaftlich für ein System einzusetzen, in dem Frauen und werdende Familien die Wahl ihres eigenen, individuell sicheren Geburtsorts haben. CHRISTINA HINDERLICH, Schwäbisch Gmünd

Chance vertan

■ betr.: „Hausgeburt oder Krankenhaus?“, taz vom 13. 12. 14

Voller Spannung habe ich letzten Samstag die Wochenendtaz aufgeschlagen, um dann sehr schnell enttäuscht festzustellen, wie einseitig ihr über die wirklich brenzlige Situation der freiberuflichen Hebammen berichtet – ein seitenlanger Bericht mit ungenauen bis falschen medizinischen Angaben, ein Bericht, in dem nach „Schuld“ und „Fehlern“ der Hebamme gesucht wird, der beim Laien ein flaues Gefühl hinterlassen dürfte.

Bei mir als Hebamme hinterlässt er Wut und Ärger, dass ihr eine Chance vertan habt aufzuklären, auch zu diskutieren, wie ernst es um die Hebammen steht! Damit bedient ihr leider völlig den Mainstream und die allgemeine Verunsicherung in der Gesellschaft. KATHRIN BECKER, Berlin

Wichtiger Aspekt

■ betr.: „Hausgeburt oder Krankenhaus?“, taz vom 13. 12. 14

Ein ganz wichtiger Aspekt fehlt in dem Artikel: Hebammen sind ja nicht nur dazu da, für die Frauen, die das wollen (auch wenn es „nur“ zwei Prozent sein sollten), Hausgeburten durchzuführen, sondern sie stehen den Frauen auch vor und nach der Geburt zur Seite (Geburtsvorbereitungskurse, Nachsorge am Wochenbett, Rückbildungskurse). Auch diese überaus wichtigen Aufgaben dürfen sie ohne Haftpflichtversicherung nicht mehr ausüben! MARTINA NUNOLD, Berlin