piwik no script img

Archiv-Artikel

Mit kleinen Schritten in die Königsklasse

BUNDESLIGA Der VfL Wolfsburg verdankt seinen zweiten Tabellenplatz einem klaren Qualitätssprung

Die nächste personelle Verbesserungschance für das Team ist ein hochklassiger Mittelstürmer

Nach jedem Heimspiel pflegt der Wolfsburger Sportchef Klaus Allofs in der Mixed Zone zu plauschen. Dabei geht es nicht nur um aktuelle Statements, sondern immer auch darum, die grundsätzliche Botschaft zu platzieren. Sie lautet: Wir bleiben vernünftig, aber mit uns muss man rechnen. Das ist nicht immer einfach zu kommunizieren, denn auf keinen Fall will man als Großschnauze rüberkommen. „Aber sich immer nur klein machen, ist auch falsch. Das müssen wir nicht“, sagt Allofs.

Die Vorrundenbilanz nach dem 2:1 gegen den 1. FC Köln gibt ihm recht: mit sechs Punkten Vorsprung auf Platz zwei in der Bundesliga und zudem noch in der Europa League und im DFB-Pokal vertreten. Der sportliche Erfolg folgt aus einer sichtbaren sportlichen Entwicklung des Teams und seines Spielstils. Trainer Dieter Hecking hat einen selbstbewussten, auf Dominanz zielenden Ballbesitzfußball entwickelt, gepaart mit großen Möglichkeiten bei Umschaltaktionen und einer herausragenden Offensiv-Kompetenz bei Standards. Wenn nichts mehr hilft, gibt es immer noch ein unkalkulierbares Moment namens Naldo, der den Ball irgendwie reinhämmert oder reinköpft. Das Siegtor gegen Köln (78.) war sein fünfter Saisontreffer. Zuvor hatte Maroh Köln in Führung gebracht und Dost (16.) ausgeglichen.

In letzter Zeit werden wieder gern Strategie- und Mentalitäts-Analogien zwischen dem Clubbesitzer Volkswagen und seiner Tochter VfL Fußball GmbH beschworen. Aber im Grunde haben die fußballinteressierten Industriemanager den Manager Klaus Allofs aus zwei Gründen verpflichtet: Weil er als hochkompetent und sehr sympathisch gilt – und beides fehlte. Soll heißen: Allofs ist die Strategie, um den VfL erfolgreich zu machen und sympathisch erscheinen zu lassen.

Die Prämisse lautet: Stetige Entwicklung in kleinen Schritten, das gilt auch für die Transferpolitik. Allofs‘ zentrale Verpflichtungen bisher sind der vormalige Bayern-Mitläufer Luiz Gustavo, der Abwehrfelsen Naldo und der potentielle Weltstar Kevin de Bruyne. Dafür hat man eine Menge Geld investiert, aber Allofs bringt es so rüber, als sei es ein Paradigmenwechsel weg vom Krösus-Image hin zu unternehmerischer Vernunft innerhalb der Grenzen eines gern von ihm erwähnten Budgets (dessen Höhe aber unbekannt ist). Genauso wichtig wie gezielte Verpflichtungen war, dass Allofs aus einem unübersichtlich großen und heterogenen Kader einen gemacht hat, dessen individuelle Qualitäten man als durchgehend gehoben bezeichnen kann, der tief genug ist für drei Wettbewerbe und in dem doch fast alle Spieler nah am Team sind und daher pflegeleicht, wenn man mal von dem aktuellen Gemosere des Ergänzungsspielers Aaron Hunt absieht. Im Grunde sind nur zwei Spieler schwer zu ersetzen: Naldo innerhalb des Systems. Und De Bruyne mit seiner solitären Qualität sowohl beim Finden kleiner Räume gegen tiefstehende Gegner als auch bei Tempokontern mit viel Raum.

Es ist keine Frage, dass es in der Rückrunde darum gehen wird, wer die neue Nummer zwei hinter den Bayern wird. Zunächst gilt das für diese Saison. Danach womöglich grundsätzlich und in Konkurrenz zu Borussia Dortmund. Die nächste personelle Verbesserungschance für das Team ist ein hochklassiger Mittelstürmer. Doch da es keinen unmittelbaren Druck gibt, wird im Winter wohl nur einer kommen, wenn Allofs und Hecking das klare Gefühl haben, den Richtigen für ihre mittelfristigen Pläne zu haben. Mittelfristig heißt Champions-League-Niveau.  PETER UNFRIED