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Archiv-Artikel

Ende einer Serie

Zum ersten Mal nach 19 Jahren verliert Hannover 96 zu Hause gegen den Hamburger SV. Das entscheidende Tor schießt Collin Benjamin, und zufrieden sind nachher irgendwie alle Beteiligten

DIE AUFSTELLUNG

Hannover 96: Enke – Cherundolo, Kleine, Zuraw, Tarnat – Balitsch (64. Lauth), Yankov – S. Pinto (56. Rosenthal), Bruggink, Huszti – Hanke (46. Hashemian) Hamburger SV: F. Rost – Demel, Kompany, Mathijsen, Benjamin – Jarolim, de Jong – Trochowski (78. Atouba), van der Vaart, Olic (83. Castelen) – Zidan (69. Choupo-Moting) Gelbe Karten: Hannover 96: Balitsch, Bruggink, Tarnat HSV: Jarolim

AUS HANNOVER LARS GEIGES

Eine steile These hatte Huub Stevens da unter der Woche kundgetan: „Spielsysteme“, so diktierte es der Trainer des Hamburger SV der schreibenden Zunft in die Blöcke, „sind doch nur was für Journalisten.“ Was aber war von dieser Absage an die Fußballtheorie zu halten, kurz vor dem Start in neue Spielzeit?

Nach dem verdienten 1 : 0-Erfolg seines HSV im Nordderby bei Hannover 96 war klar: Stevens taktierte. Der Niederländer, früher eher als aufbrausender Phrasendrescher denn als eloquenter Stratege bekannt, knurrte mit seiner Bemerkung unliebsame Fragesteller beiseite und verschleierte so das Gesicht des runderneuerten HSV 2007 – bis zum Saisonauftakt am Samstag in Hannover. Hinterher sagte er dann gewohnt salopp: „Drei Punkte, dafür sind wir gekommen und die haben wir auch mitgenommen, deshalb sind wir auch zufrieden.“

Tatsächlich aber hatte Stevens seiner Mannschaft zum Ligastart ein erstaunlich offensives Korsett geschnürt, bei dem mit Piotr Trochowski, Rafael van der Vaart, Collin Benjamin, Mohamed Zidan und Ivica Olić gleich fünf Hamburger immer wieder gefährlich nach vorn drängten. Die Folge war ein munteres Spiel mit einem überlegenen HSV und dem letztlich entscheidenden Treffer durch Benjamin (23.).

„Wir haben die Räume einfach zu groß gelassen“, sagte 96-Angreifer Arnold Bruggink nachher. Eine Tatsache, die sich mit zunehmender Spielzeit und erhöhtem Engagement der Hannoveraner zwar besserte, allerdings die Überlegenheit der Hamburger nicht ausgleichen konnte. Die Hafenstädter hätten durch van der Vaart (63.), der frei vor 96-Torwart Enke vergab und später nur die Latte traf (80.), sowie durch Trochowski (70.) die Partie bereits früher entscheiden können.

Dabei waren die Niedersachsen vor dem Spiel durchaus optimistisch. Hannover gewann in der Vorbereitung neun von zehn Testspielen – unter anderem gegen Real Madrid (3 : 0) und die Glasgow Rangers (1 : 0). Und dann hatte es ja daheim seit immerhin 19 Jahren keine einzige Niederlage gegen die Gäste aus Hamburg gesetzt. „Sicher, wir hatten uns den Auftakt natürlich ganz anders vorgestellt“, sagte 96-Trainer Dieter Hecking und verwies sogleich auf den „Gegner, der sicherlich nicht zu den schlechtesten in der Bundesliga gehört“.

Überhaupt pusteten sich beide Mannschaften nach dem Spiel ordentlich Zucker um die Ohren. Die Hamburger hätten „in der Mitte einfach sehr, sehr gut“ gestanden, lobte da Hannovers Bruggink und erklärte damit, weshalb es für ihn und seinem später ausgewechselten Sturmpartner Mike Hanke keine Möglichkeiten gab, selbst zum Abschluss zu gelangen. Besonders das Benelux-Abwehrduo mit Vincent Kompany, der nach fast einem Jahr Verletzungspause wieder spielen kann, und Joris Mathijsen blockten Hannovers Angriffsbemühungen von Grund auf. „Die Organisation hat einfach gestimmt“, fasste es Kompany zusammen. Es sei kein Debakel, sagte wiederum 96-Torwart Enke, „gegen den HSV mit 1 : 0 zu verlieren“. Tatsächlich haben die Hamburger im laufenden Kalenderjahr die zweiterfolgreichste Mannschaft der Liga. Einzig der Meister aus Stuttgart konnte mehr Punkte sammeln.

Komplimente verteilten aber auch die Hamburger. Hannover habe eine „spielerisch sehr gute Mannschaft“, sagte Stevens, weshalb er auch so glücklich darüber sei, hier gewonnen zu haben. Und HSV-Spielmacher Rafael van der Vaart erklärte, er „denke nicht, dass hier viele Mannschaften gewinnen werden“.

Derart gelobhudelt schauen beide Vereine recht gelassen auf die noch junge Saison. „Ich bin sehr, sehr positiv, was dieses Jahr angeht“, sagte der Hannoveraner Enke, der mit seiner Mannschaft nächste Woche in Karlsruhe spielen muss und dann in München. Dagegen mag der HSV-Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann vor dem Uefa-Pokal-Qualifikationsspiel gegen Honved Budapest noch nicht so recht in den Optimismus einstimmen. Zu sehr zerrte die Hinrunde des vergangenen Jahres an ihm: Da glückte dem HSV in 17 Spielen nur ein Sieg. „Ein besseres Abschneiden, als im letzten Jahr“, lautet daher Hoffmanns bescheidenes Ziel. Es wird gelingen.