Das Ende der Ewigkeit

WECHSEL „Glückauf – und tschüss“: Der kämpferische WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach muss wohl gehen

Man verhandele schon über einen Aufhebungsvertrag mit Bodo Hombach

VON STEFFEN GRIMBERG

Mitte der 2000er-Jahre sah Bodo Hombachs Büro in der WAZ-Zentrale so aus, als hätte er sich hier für immer eingerichtet. Groß war das Ganze, und die Schrankwand würde noch die nächsten 200 Jahre halten. Schick war und ist es bei der WAZ ohnehin nirgendwo, und ins Feng-Shui-Ambiente getupfte Arbeitsinseln würden auch nicht zu Hombach passen – Schrankwand schon eher. Ein paar Erinnerungen an die politische Zeit und an die auf dem Balkan, wo Hombach ab 1999 EU-Sonderkoordinator war, verbreiteten spröden Charme, und mittendrin leuchtete als Merkwürdigkeit ein Lavastein-Zimmerspringbrunnen, „aber darüber schreiben Se nich“, sagte Hombach damals mit Nachdruck. Überhaupt war das Gespräch furchtbar „unter drei“, also nur für den Hinterkopf. An eine Pressestelle war bei der WAZ noch lange nicht zu denken und an Berichterstattung in eigener Sache, wie dieser Tage, schon gar nicht. „Wir haben da viel vor, aber das dauert in so’m Laden“, meinte Hombach noch, aber er habe ja Zeit, viel Zeit.

Jetzt, so scheint es, will die Ewigkeit nur neun Jahre dauern. Unverhohlen drückt WAZ-Chefredakteur Uli Reitz aus, was die Stunde geschlagen hat: Wenn die Erben von WAZ-Mitgründer Erich Brost ihre Anteile wie geplant an Petra Grotkamp, Tochter des anderen WAZ-Gründers Jakob Funke, verkaufen, heißt es für Hombach „Glückauf – und tschüss!“. Das „kämpferische Ruhrgebietskind“ Hombach, schrieb das kämpferische Mönchengladbacher Kind Reitz in der WAZ, passt dann nicht mehr. Man verhandele schon über einen Aufhebungsvertrag.

Nun ist das Verhältnis Reitz/Hombach auch so eine ganz eigene WAZ-Geschichte, schließlich hatte Hombach den WAZ-Oberchefredakteur einst von der pechschwarzen Rheinischen Post (RP) zum Traditionsverlag des arbeitenden Ruhrgebiets geholt. Der Schritt war so klug wie pragmatisch: 2005 war das Ende der jahrzehntelangen SPD-Herrschaft in NRW besiegelt. Da konnte ein konservativer „Zupacker“ (Hombach über Reitz) alles andere als schaden. Auch als „Außenpolitiker“ machte Hombach zunächst Furore und eroberte für den WAZ-Konzern Südosteuropa. Unvergessen Hombachs erbostes Aufbrausen, man solle doch nicht immer behaupten, die WAZ beherrsche den gesamten Zeitungsmarkt in Bulgarien. „Das ist Quatsch!“, rief er jedes Mal, um auf die Frage, was denn dann stimme, spitzbübisch nachzuschieben: „Uns gehört fast ganz Bulgarien“ – ein einziges, eher unbedeutendes Blatt war damals nicht von der WAZ geschluckt worden.

Von dieser Euphorie ist heute nicht viel geblieben: Das Engagement auf dem Balkan bringt nur magere Renditen, dafür aber jede Menge Ärger wie in Serbien, wo sich die WAZ mit regierungsnahen Oligarchen herumschlagen muss und Hombachs alte Kontakte nichts mehr nutzten. Im Revier tingelte das alte SPD-Schlachtross dafür unverdrossen von Podium zu Podium und sang das hohe Lied des Lokaljournalismus, während Reitz in Essen eher überregionalen Ambitionen frönte und die Regionalberichterstattung stärker und stärker ausgedünnt wurde. Hombachs Eloge auf die Lokalzeitung als „Motor des lokalen Selbstbewusstseins“ klang schon bald nur noch hohl und leer.

Während Reitz die WAZ nicht zum befürchteten RP-Abklatsch, sondern nur ein bisschen konservativer machte, vollzog Hombach die radikalere Wendung: Dessen SPD-Parteibuch habe „höchstens noch folkloristischen Wert“, lästerte schon bald die Parteispitze, Hombach übernahm auch noch den Vorsitz der vom CDU-Premier Rüttgers installierten NRW-Zukunftskommission. „Bodo Hombach saß seinerzeit ebenso gerne mit Jürgen Rüttgers zusammen wie heute mit Hannelore Kraft“, der aktuellen SPD-Ministerpräsidentin, feixt heute auch Reitz. Doch nicht nur Hombach dürfte bei der WAZ abgewirtschaftet haben – und mit einem ordentlichen Batzen Geld ins Eigenheim in Mülheim/Ruhr ziehen.

Auch der erst vor drei Jahren ins Ruhrgebiet gelotste Christian Nienhaus, offiziell der Mann des Funke-Clans an der Konzernspitze, hat seinen Zenit bereits überschritten. Der Ex-Springer-Manager verordnete den WAZ-Zeitungen den bislang dramatischsten Umbau: Lokalausgaben wurden eingestellt, ein Drittel aller Redakteure musste gehen, seitdem bespielt Reitz’ Content-Desk aus Essen zentral alle Titel in NRW. Die Forschung bestätigte zwar, dass das der Qualität des Ganzen nicht geschadet habe, doch die Leserrückgänge liegen zum Teil deutlich über dem Branchendurchschnitt.

Wie Hombach mit seiner Zukunftskommission hat sich auch Nienhaus ein neues Spielzeug zugelegt: Er ist Vorsitzender des Verlegerverbandes NRW, als solcher führt er den nächsten Kreuzzug gegen die öffentlich-rechtlichen Sender und blamiert sich dabei schon mal bis auf die Knochen. Vergangene Woche klagte er der FAZ, die Politik werde von ARD und ZDF am Nasenring durch die Manage geführt. Der WDR habe sogar „ im Landtag Abgeordneten gedroht“, wenn sie nicht richtig stimmten, „würde das in der WDR-Berichterstattung Folgen haben“. Belege für diesen nicht ganz unpikanten Vorwurf? – Fehlanzeige. Nun erwägt der WDR rechtliche Schritte, das Ganze dürfte zudem ein politisches Nachspiel haben. „Das wird im Landtag noch zur Sprache kommen“, sagt dessen Vizepräsident Oliver Keymis (Grüne), ein „typischer Nienhaus-Querschläger“ sei das gewesen, „einer der vielen – und vielleicht auch ein Ausdruck seiner geschwächten Position“.

Sie wolle die WAZ komplett übernehmen, um klare Strukturen zu schaffen und langfristig den Erfolg des Familienunternehmens zu sichern, hat Petra Grotkamp am Dienstag ihre Kauflust erklärt. Da passt weder ein Bodo Hombach noch ein Christian Nienhaus ins Konzept. Macht nichts, der neue starke Mann ist ja schon da: Manfred Braun kommt vom Bauer-Verlag und hat schon so erfolgreich wie geräuschlos die Zeitschriften der WAZ-Gruppe auf Vordermann gebracht und wurde im März ohne viel Aufsehens parallel noch gleich zum Chef der NRW-Zeitungsverlage ernannt. Die vier WAZ-Titel im Ruhrgebiet sind das Herzstück des Konzerns – wer hier das Sagen hat, bestimmt, wo’s langgeht. Für ein Treffen, gar ein Interview, lässt Braun ausrichten, habe er derzeit keine Zeit. Und: Es gäbe doch auch gar nichts zu sagen.