: Das Magazin zum Ausdrucken
Die Hamburger Grafiker Philipp Michaelis und Peer Fischer haben ihr Mittel gegen Alltagsstress gefunden: Noch mehr Arbeit – aber kreative. Das Ergebnis ist das PDF-Magazin „Destructed“
VON JASMIN KLOFTA
Es ist ein Magazin, das keiner in den Händen halten kann. Zu kaufen gibt es Destructed, das Magazin für zeitgenössische Kunst und Design, auch nicht. Denn es gehört zu den Online-Magazinen, die in der digitalen Welt zuhause sind.
Statt am Kiosk findet der Leser Destructed durch Suchmaschinen, Links auf thematisch ähnlichen Seiten oder Internet-Communitys wie „myspace“. Seit April 2004 erscheint es vierteljährlich nur im Dateiformat PDF als kostenloser Download auf der Internetseite www.destructed.info. Dabei ist das Magazin auch selbst wieder ein Netzwerk: Mehr als Hundert Grafiker, Illustratoren, Fotografen und Künstler gestalten ein Thema pro Ausgabe – und das mit Erfolg: 2005 wird das Magazin zum Selberausdrucken mit dem Medienpreis „Lead Award“ im Bereich „Independent Online Magazin des Jahres“ ausgezeichnet.
Für die Hamburger Macher Philipp Michaelis und Peer Fischer ist das eine glückliche Wende. Nach Michaelis’ Ausbildung zum Mediengestalter und Fischers Kommunikationsdesign-Studium sah es anders aus: „Wir waren beide von unserer Arbeit frustriert, weil wir nur kundenorientiert gearbeitet haben“, sagt Michaelis. „Das bedeutet, der Chef sagt, wie es gemacht wird, auch wenn ich es selbst falsch finde.“
Um dem zu entkommen, gründeten die beiden vor zwei Jahren eine Bürogemeinschaft. Sie wollten etwas Grundlegendes in ihrem Leben ändern. Das Magazin wurde zum Kontrastprojekt ihres Alltags.
Damit stellen sie sich bewusst gegen bekannte Strukturen aus der Arbeitswelt: Hierarchien und einengende Vorgaben haben im Magazin keinen Platz. So wird das Thema jeder Ausgabe, zu denen Fotos, Illustrationen, Grafiken oder Texte eingereicht werden, nicht von einem einzelnen Menschen bestimmt.
Die Entscheidung wird von allen teilnehmenden Künstlern gemeinsam getroffen. Dazu machen die beiden auf einer internen Internetseite Themenvorschläge, für die abgestimmt werden kann. Die Mehrheit entscheidet.
Eine Corporate Identity gibt es auch nicht. Ein überlegtes Image gehört heute zwar zu jedem Unternehmen.
„Doch ein Image schränkt immer ein, was ästhetisch möglich ist“, sagt der 29-jährige Michaelis. „Wir wollen nicht schon vorher sagen, ob eine Interpretation eines Themas durch einen Künstler zu uns passt oder nicht.“
Sich von etablierten Strukturen abzugrenzen ist keine neue Idee: Die Mini- und Alternativpresse der 1970er Jahre wollte dasselbe. Eine breite Gegenöffentlichkeit konnte sie trotzdem nicht herstellen. Das lag auch an den hohen Produktionskosten, die für Printerzeugnisse nötig sind. Die darauf folgenden Fanzines der Punk-Kultur waren dagegen gleich für den subkulturellen Raum angelegt. Heute bietet das Internet neue Wege der Verbreitung. Mit Internetseiten, Weblogs, Foren oder Mailinglisten kann theoretisch jeder auf seine Publikationen aufmerksam machen.
Der Medienpreis und regelmäßige positive Rückmeldungen bestätigen Michaelis und Fischer in ihrem Vorhaben. Auf der einen Seite bedeutet Destructed für beide Grafiker zwar mehr Arbeit, die keiner entlohnt. Doch auf der anderen Seite ist es eine Befreiung. „Es geht einfach darum, einmal nicht zielorientiert zu arbeiten, sondern eigene Themen umzusetzen“, sagt Michaelis. Für die Macher ist es wichtig, eine Pause von ihrer Arbeit zu bekommen. Das Motto des Magazins heißt deshalb auch „Das Leben findet offline statt“. Damit wollen sie darauf anspielen, dass das Magazin heruntergeladen werden kann und nicht online gelesen werden muss. Vor allem ist es ein Aufruf dazu, den Rechner auch mal aus zu lassen. „Damit verneint sich das Magazin sozusagen selbst“, sagt Michaelis.
Letzte Konsequenz des Mottos sind Pläne für eine Printausgabe. Der Illusion, davon einmal leben zu können, geben sich die beiden Macher aber nicht hin. Das hätte sogar negative Auswirkungen auf den unkommerziellen Charakter des Magazins, finden sie. „Es ist vielmehr eine Insel, auf die wir uns immer retten können“, sagt Michaelis. „Auch wenn sie nur viermal im Jahr auftaucht.“