Hannover Scorpions wollen Verfall stoppen

PERSPEKTIVE Der einstige Eishockey-Vorzeigeverein will sich mit Nachwuchsspielern etwas Neues aufbauen

Ihre Siege in Serie bleiben ein schwacher Trost. „Wir sind hier zurück an der Basis“, sagt Len Soccio, Trainer der Hannover Scorpions. Die Scorpions, vor viereinhalb Jahren noch deutscher Meister, suchen ihr Glück heute in der drittklassigen Oberliga. Wegen finanzieller Probleme ist der einstige Vorzeigeverein der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) in die Puck-Provinz zurückgestuft worden. Der frühere Nationalspieler Soccio leistet lobenswerte Basisarbeit, der es aber an der nötigen Perspektive fehlt.

Die Hannover Scorpions waren von einem Dorfverein vor den Toren der Stadt zu einer millionenschweren Firma aufgestiegen, die in der riesigen TUI-Arena in Hannover Karriere gemacht hat. Jetzt versuchen sie in der Oberliga-Nord, einen weiteren Verfall zu stoppen und mit talentierten Nachwuchsspielern etwas Neues aufzubauen. „Wir haben immerhin 16 Spieler aus der Region Hannover in unserem Kader. Das ist das Ergebnis intensiver Jugendarbeit“, sagt Scorpions-Geschäftsführer Marco Stichnoth. Zu besseren Zeiten durfte er Profis einkaufen. Heute freut er sich, wenn er mit dem Etat von rund 220.000 Euro ein ambitioniertes Team zusammenstellen kann. Der Verein und seine Macher warten auf einen Investor, der sie wachküsst.

Ihre neue Heimat haben die Hannover Scorpions in einer kleinen, schicken Eishalle in Langenhagen gefunden. Am Freitagabend, als das Lokalderby gegen den ESC Wedemark anstand, kamen immerhin 1.128 Zuschauer, um einen 5:0-Erfolg der Scorpions mitzuerleben. Wie zu früheren Zeiten schallte das Lied „Rama Lama Ding Dong“ aus den Lautsprechern, wenn ein Tor für die Heimmannschaft fällt. Die Stimmung auf den Rängen ist gut, die Fans schwenken gerne ihre Schals. Und doch will das Bild von jenen Hannover Scorpions nicht aus dem Kopf weichen, die unter Trainer Hans Zach 2010 deutscher Meister geworden sind. Heute wirken sie wie strafversetzt in eine Oberliga, die als Bindeglied zwischen Profi- und Amateursport dient.

Es gab mehrere Momente, in denen die Scorpions und mit ihnen das hannoversche Eishockey auf hohem Niveau hätte gerettet werden können. Doch ihr Erzrivale Hannover Indians, derzeit Spitzenreiter der Oberliga-Nord, und ihr Stammverein ESC Wedemark waren entweder nicht in der Lage oder zu stolz, um sich zu einem Zusammenschluss aufzuraffen. Selbst das Modell, unter dem Namen Hannover 96 einen neuen Verein zu gründen, konnte sich nicht durchsetzen. In der Folge duellieren sich die drei Vereine regelmäßig in der Oberliga und klauen sich gegenseitig gute Spieler, Sponsoren und Zuschauer. Genügend Geld, um in der nächsthöheren Liga zu bestehen, hat keiner von ihnen.

Immerhin ist die Vernunft dann doch groß genug, um im Jugendbereich zu kooperieren. „Es macht Spaß, die Entwicklung junger Spieler zu sehen“, sagt Scorpions-Trainer Soccio. Seine Sehnsucht nach großem Eishockey kann er wie so mancher Funktionär und Fan nur bedingt verbergen. Christian Otto