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SPRUNG-SCHULEDie gnadenlose Jury

VIERSCHANZENTOURNEE Das Bewertungssystem im Skispringen versagt bei extrem weiten Sprüngen. Die Athleten riskieren Kopf und Kragen – und außerdem eine Abfuhr von den Wertungsrichtern

Was ist nur aus dem guten alten Skispringen geworden? Eine Sportart, in der ohne den Computer gar nichts mehr geht und die Weite nicht mehr so richtig wichtig ist. Außerdem ein Sport, in dem nicht mehr die Besten gewinnen, sondern die Besten hinter den Besten. Wäre am Sonntag am Bergisel alles mit rechten Dingen zugegangen, dann hätte der Österreicher Stefan Kraft das dritte Springen der Vierschanzentournee gewinnen müssen. Er war der beste Springer, das heißt der beste Weitenjäger. Und geht es nicht darum bei diesem Event?

Im zweiten Durchgang hüpfte der Milchbart 137 Meter weit – Schanzenrekord. Sein Landsmann Michael Hayböck sprang wenig später sogar noch einen Meter weiter. Doch Kraft wurde in diesem Wettbewerb nur Zweiter hinter dem Deutschen Richard Freitag, Hayböck gar nur Sechster, weil die Ösis mit dem enormen Landedruck im Aufsprunghang am Bergisel nicht klarkamen. Sie bekamen nur eine sogenannte Kacherl-Landung hin. Es ist in diesem Bereich unmöglich, eine Telemark-Landung hinzuzaubern. Das bestraften die Wertungsrichter drakonisch und gnadenlos, obwohl sie doch wissen müssen, dass derart weite Sprünge nicht picobello zu stehen sind, nicht in Innsbruck.

Es klingt absurd, aber im Grunde hätten die beiden Österreicher ihre Flüge vorher abbrechen müssen, dann hätten sie von den Wertungsrichtern eine 19 oder 20 als Note bekommen – und nicht eine 14 oder 15. Oder hätte Österreichs Trainer Heinz Kuttin den Anlauf seiner so formstarken Athleten verkürzen müssen, was durchaus möglich gewesen wäre? Hat also der Coach versagt, oder waren es doch die Wertungsrichter, die nicht aus ihrer Haut konnten?

Fakt ist, dass eine Lücke im sonst so durchdesignten Reglement der Skispringer klafft. Man misst ja im Bemühen um Chancengleichheit den Body-Mass-Index bei den Springern, die tangentiale Windgeschwindigkeit und setzt das alles in Beziehung zur Skilänge und der Sprungweite. Aber gescheite Wertungen für spektakuläre Weitenjagden kriegen sie nicht hin. MARKUS VÖLKER

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