Gestopfte Kultur-Löcher

DOPPEL-GEBURTSTAG Aus der Ottensener Kulturlandschaft sind die Motte und die Fabrik nicht mehr wegzudenken. Am Wochenende feiern die beiden Kulturinstitutionen drei Tage lang gemeinsam Geburtstag

Gegründet wurde die Fabrik als Kultureinrichtung für die „Zu-kurz-Gekommenen“

VON ROBERT MATTHIES

Dass der Ottensener „Verein für stadtteilbezogene Kultur- und Sozialarbeit“ Motte heißt, hat nicht nur damit zu tun, dass die ehemalige Schokoladenfabrik, in der er residiert, im einstigen Stadtteil Mottenburg liegt – der wohl wegen der im früher industriell geprägten Ottensen weit verbreiteten Tuberkulose so genannt wurde. Sondern auch damit, dass dessen Gründer sich ausdrücklich der Löcher in der Kulturlandschaft annehmen wollten. 35 Jahre ist das nun her: damals zogen einige Gruppen und Einzelpersonen aus der Fabrik an der Barnerstraße aus, um sich neu zusammenzuschließen.

Auch die war fünf Jahre zuvor gegründet worden, um Löcher zu stopfen: Gepachtet haben das leerstehende Fabrikgebäude der Maler Horst Dietrich und der Architekt Friedhelm Zeuner, um Kultur für die „Zu-kurz-Gekommenen“ zugänglich zu machen – für die Straßenkinder und Rocker des damaligen Problemstadtteils. Schon zwei Jahre später wird das Projekt von der Bundesregierung für das neue Verständnis von Kultur und dessen Vermittlung ausgezeichnet.

Seitdem haben die beiden Ottensener Kulturinstitutionen den Stadtteil mitgeprägt: Die Fabrik ist nicht nur legendäre Konzerthalle und Ort für abendliche Lesungen, Parties und Diskussionen, sondern noch heute Anlaufpunkt für die Kinder und Jugendlichen aus der Nachbarschaft, die hier Hilfe bei Hausaufgaben und Alltagsproblemen bekommen, kochen, spielen, basteln oder feiern und auf dem „Bauernhof“ hinter dem Gebäude mal ein paar Pflanzen sehen können. Und auch die Motte ist aus dem kulturellen Kleiderschrank Ottensens nicht mehr wegzudenken – nicht zuletzt, weil sie dessen Zusammensetzung immer auch kritisch begleitet und soziale Prozesse initiiert hat.

Dieses Wochenende wird der doppelte Geburtstag in der Fabrik ausgiebig gefeiert. Morgen steht mit einer Podiumsdiskussion und einer Filmnacht erst mal die Geschichte der widerständigen Institutionen und der Wandel des Stadtteils auf dem Programm – und die Zukunft der „Kultur von unten“. Am Samstag und Sonntag gibt es dann ein „buntes Programm“ mit jeder Menge Musik, unter anderem natürlich direkt aus der Nachbarschaft, und einer Disco. Den Sonntag bestreiten tagsüber Fabrik-Freundeskreis-Vorsitzender Gottfried Böttger und jede Menge musikalische Freunde und Mitstreiter, den Abschluss macht dann die diesjährige Jazz-Echo-Preisträgerin Céline Rudolph. Der Eintritt ist alle drei Tage frei.

■ Fr, 16. 9., 20 Uhr + Sa, 17. 9., 13 Uhr + So, 18. 9., 11 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36