Liebhaber alles Abseitigen

FILM Die Reihe „Unknown Pleasures“ würdigt mit Joe Dante einen großen Unabhängigen des US-Kinos und zeigt seinen jüngsten Kinofilm – „Burying the Ex“ feiert das analoge B-Movie-Kino und verkehrt eine Romantic Comedy zum komischen Horrormärchen

Man kann ungeniert Gelüsten wie der Schadenfreude oder nerdiger Besserwisserei frönen

VON ISABELLA REICHER

Sein Befund zur Gegenwart unabhängiger Filmproduktion fällt wenig optimistisch aus: „Wenn heute junge Leute zu mir kommen und sagen: ,Erzählen Sie doch, wie Sie es geschafft haben, in diesem Geschäft Fuß zu fassen.‘, dann sage immer: ,Das kann ich gern machen. Aber es ist völlig irrelevant, weil es nicht mehr dasselbe Geschäft ist.‘ Das Geschäft, in dem ich 1974 angefangen habe, ist weg, gone, gone with the wind. Heute ist kein Platz mehr für Mavericks oder Independents wie Roger Corman.“

In dessen B-Movie-Fabrik startete der 1946 in New Jersey geborene Joe Dante als Verantwortlicher für die Trailer seine Laufbahn im Filmgeschäft. „Hollywood Boulevard“ war 1976 der erste Kinofilm, den Dante gemeinsam mit Allan Arkush inszenierte, es folgten unter anderem „Piranha“ (1978), „Gremlins“ (1984) oder „Small Soldiers“ (1998), aber es wurde für ihn immer schwieriger, Filmprojekte finanziert zu bekommen – um „die Zeit zu überbrücken“ führt er nun auch regelmäßig Regie bei der Fernsehserie „Hawaii Five-0“. Im Herbst 2014 hat er dennoch eine neue Kinoarbeit vorgestellt.

Und so ist Joe Dante mit dabei, wenn nun im Babylon Mitte zum siebten Mal „Unknown Pleasures“, US-Filme „fernab Hollywoods“ aufgewartet werden – ein facettenreiches Programm, das neben einem Golden-Globe-Anwärter wie Bennett Millers „Foxcatcher“ auch ein sprödes, tatsächlich unabhängig produziertes Debüt wie „Bella Vista“ von Vera Brunner-Jung inkludiert. Oder „Happy Christmas“, ein komisches kleines Lehrstück zur Vereinbarkeit von Mutterschaft und (kreativer) Arbeit von und mit Joe Swanberg sowie Anna Kendrick, Melanie Lynskey und Lena Dunham.

Dante ist jedenfalls ein Liebhaber alles Abseitigen geblieben. Ein Skeptiker des unbedingten Fortschritts, einer der hochhält, was andere ausrangieren, und der aus vermeintlich abgenutzten Genrestandards immer noch solide Wertarbeit wie seine aktuelle, ernsthafte Horrorkomödie „Burying the Ex“ zimmert. Im Protagonisten Max (Anton Yelchin) kann man eine Art Stand-in für den Regisseur sehen: einen Fan mit einschlägiger Memorabilia-Sammlung, der seinen Lebensunterhalt als Verkäufer in einem ebensolchen Fachgeschäft bestreitet und von einem eigenen kleinen Laden träumt, wo er die Kunden nicht mit dem Spruch „Thank you and go to hell“ verabschieden muss.

Max’ Freundin Evelyn (Ashley Greene) hingegen arbeitet in einem hippen Internet-Start-up, das einen nachhaltigen Lebenswandel propagiert. Als sie seltsame Manien entwickelt, die Wohnung grün streicht und Max‘ italienische Originalfilmposter ordentlich zusammengefaltet ablegt (echte Sammler wissen, was das bedeutet), bleibt Max nichts anderes übrig, als sich von ihr zu trennen. Weil aber ein Horrorgimmick plötzlich wirklich Zauberkraft entfaltet, kann er Evelyn selbst nach deren Unfalltod nicht loswerden: Sie zieht als echte Zombiebraut wieder bei ihm ein.

Notgeiler Halbbruder

Die Erzählung dreht sich fortan um den fatalen Twist, dass er die lebende Tote so schnell wie möglich wieder umbringen will, um sie ein für alle Mal loszuwerden. Sie dagegen trachtet ihm nach dem Leben – gerade weil er dann für immer mit ihr verbunden bliebe. Als ob das noch nicht kompliziert genug wäre, hat sich Max in der Zeit vor Evelyns Auferstehung auch noch in die kecke Olivia (Alexandra Daddario) verliebt. Das Figurenquartett komplettiert Max’ notgeiler Halbbruder Travis (Oliver Cooper).

Joe Dante zeigt nicht nur bei der Charakterzeichnung viel Sinn und Liebe für Details. Es genügen ihm – als Running Gag – auch erst ein, zwei und dann immer mehr laut summende Schmeißfliegen, die um Evelyns Kopf schwirren, um ihre fortschreitende Verwesung zu illustrieren. Von Anfang an sind in „Burying the Ex“ natürlich Verweise aufs Horrorgenre im Spiel: Wer sie erkennt, wird sich freuen. Wer nicht, wird trotzdem bestens unterhalten. Bei Dante kann man ungeniert Gelüsten wie der Schadenfreude, dem zarten Grusel oder nerdiger Besserwisserei frönen. Die Versatzstücke des Grauens sind deutlich als Kunstblut und Masken erkennbar.

Es geht eben um den Effekt. Aber darüber hinaus ist es auch ein schönes Statement, in dem bekennenden Horrorfan den eigentlichen Menschenfreund zu erkennen.

■ „Burying The Ex“: Samstag, 10. Januar, 21.15 Uhr, Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Platz