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Archiv-Artikel

Alles fließt – auch der Verkehr

NATURPARK Auf der Elbinsel Kaltehofe öffnet das Industriedenkmal „Wasserkunst Kaltehofe“ auf dem Gelände einer ehemaligen Wasserfiltrieranlage. Stadtteilaktivisten sprechen von einem „Event-Park“

Obwohl bis vor 21 Jahren jeder Hamburger indirekt von ihr lebte, kennen sie nur wenige: Die Elbinsel Kaltehofe, eingeklemmt zwischen Peute und Rothenburgsort, versorgte die Stadt mit ihrer Filtrationsanlage seit 1893 mit sauberem Trinkwasser. In 22 Becken, jedes so groß wie ein Fußballfeld, sickerte das Wasser langsam durch Sandschichten, wurde keimfrei und genießbar. Im Februar 1990 schloss die Anlage.

Mit dem Verfall des Areals hat sich die Natur seither einen einzigartigen Lebensraum erobert, durch Zäune vor den Menschen geschützt. 281 heimische Pflanzenarten wurden auf Kaltehofe gezählt. In den verlandeten Wasserbecken fanden 44 Vogelarten ideale Biotope. Aus der Industrieanlage wurde ein Naturpark, den auch die Bewohner des nahen Rothenburgsort als Erholungsraum schätzten: Aus der Ferne beobachteten sie Vögel oder skateten auf dem autofreien Hauptdeich entlang. Ein Idyll für Eingeweihte.

Am Sonntag ist das ehemalige Sperrgebiet erstmals für die breite Öffentlichkeit zugänglich: Die „Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe“ öffnet ihre Türen, ist Industriedenkmal, Museum und Naturpark in einem. Im alten Hygieneinstitut und einem neu gebauten Betonkubus befinden sich Ausstellungsräume zur Trinkwasseraufbereitung, im kostenfreien Park haben die Besucher Zutritt zu sechs der Wasserbecken. Ein Naturlehrpfad informiert über die ungewöhnliche Artenvielfalt. Ein Viertel der 45 Hektar großen Anlage wurde für neun Millionen Euro umgebaut und wird künftig zugänglich sein. „Der Park soll ein kontemplativer und stiller Ort sein“, erklärt Architekt Andreas Heller.

Die Planer wollten an diesem Ort alles richtig machen: Man zog Kunsthistoriker hinzu und Biologen, die dafür sorgen sollten, dass mit der Natur richtig umgegangen wird. Das Konzept sei immer mit der Bevölkerung diskutiert worden, sagt Heller, er habe fast jede Rothenburgsorter Kneipe besucht. Trotz heftiger Diskussionen habe man schließlich einen Konsens gefunden. Ein vorbildliches Projekt erfolgreicher Bürgerbeteiligung also?

Die Stadtteil-Initiative „Hamburgs Wilder Osten“ sieht keinen Grund zum Feiern. Vor allem die 80 öffentlichen Parkplätze direkt vor dem Museum nerven sie. „Das war anders geplant“, sagt Aktivist Ingo Boettcher. Die bislang autofreie Deichstraße wird künftig über 500 Meter als Zufahrt zum Museum genutzt, das die Initiative als „Event-Park“ bezeichnet. Im Konsensverfahren einer Agenda 21-Konferenz von 2005 sei eine Öffnung der Straße für den privaten Autoverkehr nicht vorgesehen gewesen.

Andreas Heller betont, dass dieser Parkplatz nötig sei – für ältere Menschen, die den weiten Weg zum Museum sonst nicht auf sich nehmen können: Die nächste S-Bahnstation Rothenburgsort ist 1.600 Meter entfernt. Boettcher aber sieht den Fehler im Gesamtkonzept: Wo Gelände öffentlich genutzt würden, kämen automatisch Menschen. „Auch solche, die nicht unbedingt ins Museum, sondern direkt mit dem Auto ins Grüne fahren wollen.“  ADRIAN MEYER