: Das Ideal ist warmmietenneutral
MODERNISIERUNG Bis 2050 soll der Gebäudewärmebedarf um 80 Prozent reduziert werden. Wer die Kosten für „energetische Sanierungen“ übernehmen soll, ist noch unklar. Aber nicht immer müssen Mieter danach deutlich höhere Warmmieten zahlen
■ In der letzten Legislaturperiode hat sie kaum eine Rolle gespielt, direkt vor den Berliner Wahlen ist die Mieten- und Wohnungspolitik aber zu einem der kontroversen Themen geworden. Zu deutlich sind die Anzeichen, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt verschärft – laut Mietspiegel sind etwa die Mieten seit 2009 um fast acht Prozent gestiegen. Einigkeit zwischen den Parteien herrscht zumindest in einem Punkt: Ungenutzte landeseigene Grundstücke sollen künftig billiger als bislang für den Bau von Häusern mit günstigen Mietpreisen zur Verfügung gestellt werden.
■ Der Bundesratsinitiative des rot-roten Senats zur Begrenzung von Mietsteigerungen werden derweil kaum Chancen eingeräumt – es fehlt bisher die Unterstützung anderer Bundesländer. Zu der im November 2010 gestarteten Berliner Initiative gehört auch der Vorschlag, dass die jährliche Mieterhöhung nach Modernisierungen nur noch neun Prozent der Modernisierungskosten ausmachen dürfe statt bisher elf Prozent.
■ Diese Forderung steht auch im Zusammenhang mit dem ehrgeizigen Energiekonzept der Bundesregierung: Bis 2050 soll der Gebäudewärmebedarf um 80 Prozent reduziert werden. Dafür müsste die derzeitige Modernisierungsrate deutlich erhöht werden. Dem von der Bundesregierung geplanten Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden versagte der Bundesrat allerdings im Juli seine Zustimmung. Der Grund: Die dabei vom Bund vorgesehene steuerliche Förderung mit einem Umfang von rund 1,5 Milliarden Euro hätte für die Länder Einnahmeverluste von etwa 900 Millionen Euro zur Folge.
Mieterverbände halten Modernisierungszuschläge dagegen ohnehin nur unter einer Bedingung für zulässig: Mieterhöhungen müssten „immer von den Zahlen des Mietspiegels abhängig“ gemacht werden“, so Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB). (os)
VON LARS KLAASSEN
Laut Energiekonzept der Bundesregierung sollen Häuser in Deutschland bis 2050 weitgehend „klimaneutral“ sein. Anders ausgedrückt: Der Einsatz von Primärenergie wie Gas oder Öl in Gebäuden soll bis dahin um 80 Prozent reduziert werden.
Nun aber versagte der Bundesrat dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause seine Zustimmung. Die Länder wollen die durch die Steuererleichterungen erwarteten Einnahmeverluste nicht tragen (siehe rechts). Gleichzeitig befürchten auch Mieter, dass die bei energetischen Sanierungen anfallenden Kosten verstärkt auf sie abgewälzt werden. Das könnte viele Betroffene finanziell überfordern und ihre Ausgaben für Wohnraum weiter steigern.
Dass es elegante Lösungen geben kann, von der alle profitieren, wurde bei einigen Projekten bereits vorgemacht: durch eine energetische Sanierung, dank der die Nebenkosten für den Energieverbrauch so stark sinken, dass die Mehrkosten für die Sanierung dadurch neutralisiert werden. Für Mieter heißt das in solchen Fällen: Sie zahlen zwar eine höhere Kaltmiete, weil damit die Sanierung im Nachhinein finanziert wird. Zugleich sparen sie aber mindestens genauso viel Geld auf der anderen Seite ein, nämlich bei ihren Heizkosten. Die Warmmiete steigt also trotz Sanierung nicht an. Das Problem dabei: Die Rechnung geht nicht in allen Fällen auf.
Zunehmender Druck durch Energiekostenanstieg
Die Deutsche Energie-Agentur (dena) hat dazu eine Studie initiiert, bei der die Frage im Mittelpunkt steht, wie eine warmmietenneutrale energetische Sanierung realisierbar ist. Laut dena-Erhebung leiden Mieter und Vermieter ohnehin unter zunehmendem Druck durch Energiekostenanstieg: „Bei der Kaltmiete konnte seit 1995 lediglich eine Steigerung um 22 Prozent erzielt werden (reiner Inflationsausgleich), die Energiekosten stiegen im selben Zeitraum um 120 Prozent.“ Das heißt: Je schlechter die Dämmung und das Heizsystem sind, desto größer fällt der Preisanstieg ins Gewicht. Und das gilt für die Zukunft sicher noch in verschärftem Maße.
Laut dena haben nur 12 Prozent des Wohnungsbestandes Heizungsanlagen auf aktuellem Stand der Technik. Zudem sind die Hüllen vieler Gebäude ungedämmt und Fenster erneuerungsbedürftig. Daraus ergibt sich unter anderem: „Etwa 50 Prozent aller Gebäude werden in den nächsten 20 Jahren aus technischen Gründen saniert.“ Diese Anlässe, so die Studie, „müssen zur energetischen Modernisierung genutzt werden“.
Je höher der Wärmebedarf eines unsanierten Gebäudes ist, desto größer sind dementsprechend die Einsparmöglichkeiten bei den Nebenkosten. Damit steigt rechnerisch auch das Potenzial für eine warmmietenneutrale Sanierung.
Die dena hat Modellvorhaben mit 330 hocheffizienten Sanierungen durchgeführt und wissenschaftlich ausgewertet. Das Fazit: „Hochwertige energetische Sanierungen auf etwa 70 Prozent Einsparung lassen sich warmmietenneutral umsetzen.“ Für eine Sanierung auf 80 Prozent Einsparung sei indes eine staatliche Förderung notwendig. Pessimisten widerspricht die dena dabei vehement: „Aussagen, dass energetische Sanierungen 800 bis 1.000 Euro pro Quadratmeter kosten würden, sind falsch.“
Synergieeffekte können Mieter entlasten
Ob Wohnhäuser energetisch saniert werden, ohne dass die Mieter nachher draufzahlen müssen, hängt aber auch noch von anderen Faktoren ab. Beispiel Märkisches Viertel in Berlin: Dort saniert die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gesobau im großen Stil: 15.000 Wohnungen. Bis 2015 soll hier die größte Niedrigenergie-Großsiedlung Deutschlands mit einer CO2-neutralen Energiebilanz vollendet sein. Die CO2-Emissionen werden von 40.000 auf 17.000 Tonnen reduziert. Kosten: rund 440 Millionen Euro. Hinzu kommt eine Kooperation mit dem zentralen Wärmeversorger des Viertels: Vattenfall baut das hiesige Fernheizwerk zu einem Biomasse-Heizkraftwerk um, das mit Kraft-Wärme-Kopplung arbeitet. Solche Synergieeffekte entlasten die Mieter zusätzlich. Bei einem Projekt in dieser Dimension können außerdem die Preise am Bau gedrückt werden. Absolut kostenneutral ist die Sanierung für Mieter zwar nicht. Für eine Zweizimmerwohnung mit gut 73 Quadratmetern ergibt sich ein Aufschlag von 13,66 Euro. Da die Heizkosten aber nun einen deutlich geringeren Anteil haben, stehen sich Mieter bei anhaltend steigenden Energiepreisen schon in wenigen Jahren besser, als ohne Sanierung.
Die Charlottenburger Baugenossenschaft hat es gar geschafft die Warmmiete in den 132 Wohnungen ihrer Siedlung in Spandau nach einer Sanierung zu senken: von 5,63 Euro auf 5,60 Euro pro Quadratmeter. Diese positive Bilanz ist nicht zuletzt den vormals hohen Kosten für Warmwasser und Heizung zu verdanken, die sich von 1,36 Euro pro Quadratmeter auf 49 Cent senken ließen. Dafür wurden die Außenhüllen gedämmt, die Fenster erneuert und die Etagenheizungen durch ein zentrales Miniblockheizkraftwerk sowie Solarzellen ersetzt. Ein KfW-Darlehen sowie ein Zuschuss der Investitionsbank Berlin für die Fassade machten die Rechnung rund. Dass die Immobilien finanziell nicht (mehr) belastet sind, ist in beiden Fällen eine entscheidende Voraussetzung für eine ökonomisch robuste Sanierung.
Nicht unerheblich dürfte auch sein, dass die Eigentümer als städtisches Wohnungsunternehmen beziehungsweise Genossenschaft nicht die schnelle Rendite im Visier haben.