Die Sache mit dem Käse

STREIT Mit dem Obatzda soll es werden wie mit dem Champagner: Er soll nur noch aus einer bestimmten Region kommen dürfen. Nämlich aus Bayern

■ Der Termin: Die Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft will den Begriff Obatzda als „geografische Angabe“ schützen. Der Käse soll nur noch in Bayern und nach einem Rahmenrezept gemacht werden dürfen. Das will die Firma Pflaum’s – aus Baden-Württemberg – verhindern. Am 22. September soll das Bundespatentgericht entscheiden.

■ Das Wort: Obatzda heißt so viel wie „verpantschter Käse“. Eine allgemeingültige Schreibweise oder Deklination gibt es nicht. Franken und Schweizern kann der Streit egal sein: Das Käsegebatzte in der Schweiz heißt Gmantschter, das in Franken Gerupfter.

VON MARIA ROSSBAUER

Für Maria Linderer geht es hier um mehr als zermanschte Käsereste. Ihr geht es um Traditionen. Dass Bayerisches den Bayern bleibt. Schließlich sieht Linderer eines der größten bayerischen Kulturgüter bedroht: den Obatzda. „Wir wollen nicht, dass der Name Obatzda ausgehöhlt wird“, sagt sie. Sonst würde der Markt sicher bald von sächsischen, spanischen oder gar chinesischen Billigimitationen überrollt – Gott bewahre! Um das zu verhindern, hat die Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft, bei der Linderer Geschäftsführerin ist, einen Antrag gestellt, auf dass Obatzda künftig eine GGA wird, eine „Geschützte Geographische Angabe“.

Gleich hinter der Grenze

Geht es nach Linderer, soll es für Obatzden künftig eine „Rahmenrezeptur“ geben: Mindestens 40 Prozent Brie oder Camembert müssen drin sein, Butter und Frischkäse, dazu – im Idealfall – Paprika, Kümmel, Zwiebeln. Sobald eine der Rahmenzutaten fehlt, dürfte kein Wirt und keine Firma seinen Käse mehr Obatzda nennen. Und: Obatzda soll überhaupt nur noch in Bayern hergestellt werden dürfen.

Obatzdahersteller „Pflaum’s feine Frische“ gefällt das gar nicht. Er stellt den Käse seit über zwanzig Jahren her, beliefert viele Münchner Biergärten. Das Unternehmen sitzt in Leutkirch im Allgäu – zwei Kilometer hinter der bayerischen Grenze, in Baden-Württemberg. Käme der Schutztitel für den Obatzda, dürften sie ihn unter dem Namen nicht mehr verkaufen. Deshalb hat Pflaum gegen die „Geschützte Geographische Angabe“ Widerspruch eingelegt. Jetzt wird am Bundespatentgericht in München entschieden, ob der Schutz dennoch in Kraft treten wird. „In Zeiten der Globalisierung ist so eine Grenzziehung doch lächerlich“, sagt Pflaum-Firmensprecher Michael Schreck.

„Firmen außerhalb Bayerns können ihr Produkt ja als Käsezubereitung mit irgendeinem Fantasienamen verkaufen“, sagt Maria Linderer. Außerdem seien die Pflaums selbst schuld: Vor acht Jahren seien sie aus eigenem Antrieb weggezogen. Davor produzierten sie ihren Obatzden in Bayern.

Aber nicht nur die Grenze ist ein Problem für die Firma Pflaum, auch ihre Herstellungsart passt nicht ins GGA-Konzept: In der Regelung wäre nur noch eine Art der Konservierung für den Käse zugelassen: die Thermisierung. Man müsste den Obatzden also erhitzen, um ihn haltbar zu machen. „Pflaum’s feine Frische“ aber benutzt Sorbinsäure, einen Konservierungsstoff, der ursprünglich aus der Vogelbeere stammt. „Mit Thermisierung hat der Obatzda einfach nicht mehr die Struktur, die er sonst hat“, sagt Firmensprecher Schreck, „er wird breiig.“ Außerdem würde die Hitze auch den Käsegeschmack verändern.

Diese Regelung träfe auch einige Firmen aus Bayern, die ihren Obatzden ebenso „kalt“ wie die Pflaums herstellen. Doch Thermisierung sei nun mal eine traditionelle Art der Konservierung, meint Linderer, so hätten bayerische Omas früher schon vieles haltbar gemacht.

Andere Hersteller könnten von der neuen Regelung jedoch profitieren: Die Firma Alpenhain in Bayern ist Obatzda-Marktführer. Und sie fertigen ihren Käse als eine der Wenigen mit ebenjenem Thermisierungsverfahren nach der eingereichten Rezeptur. Und Alpenhain ist Mitglied in der Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft. Ist die vermeintliche Brauchtumspflege der Vereinigung also ein knallhartes Ausschalten der Konkurrenz?

Wenn die Landesvereinigung gewinnt, müsste Pflaum zurück nach Bayern ziehen. Aber könnten sie ihn nicht einfach anders schreiben? Vielleicht Obatzder, Obatzter oder Obazta? Schließlich weiß ohnehin keiner genau, wie der Käse geschrieben wird. Auch dagegen hat sich die Landesvereinigung gewappnet: Alle Namensanlehnungen – tz, er, d oder z – wären mit dem GGA-Siegel geschützt. „Allein der bayerische Name deutet ja schon darauf hin, dass er wirklich aus Bayern kommt und nicht aus Sachsen oder eben Baden Württemberg“, sagt Linderer.

Alles bloß Käse am Ende

„Wir wollen den Namen weiter benutzen“, sagt Schreck, „das müssen wir auch machen.“ So oder so müsste die Firma wirtschaftliche Einbußen fürchten.

Für das eingereichte Rezept hätten Linderer und ihre Kollegen Kochbücher studiert, traditionelle Überlieferungen durchforstet. Nun gut: So historisch können die Überlieferungen nicht sein, schließlich stammt Obatzda aus den Zwanzigerjahren. Und dass kaum Zutaten des vermeintlich urbayerischen Gerichts aus Bayern kommen, spielt auch keine Rolle: Bei einer GGA müssen die Rohstoffe nicht zwingend aus der Region sein. Allein die Herstellung des Produkts muss in der Region verwurzelt sein. Solange Obatzda also in Bayern verbatzt wird, dürften auch weiterhin der Käse aus Frankreich, die Paprika aus den Niederlanden und der Kümmel aus Vorderasien kommen.

Aber würde der Namensschutz nicht die Vielfalt des Obatzden einschränken, verhindern, dass man je nach Laune und Kühlschrank zusammenmischt? So wie das einst die Erfinderin Katharina Eisenreich gemacht hat? „Überhaupt nicht“, meint Linderer. Schließlich bleibe die Variationsbreite ja enorm: „Ob ich jetzt 50 Prozent Käse und 50 Prozent Butter nehme oder 40 Prozent Käse und 60 Prozent Butter, bleibt jedem selbst überlassen“. Mit dem Rahmenrezept wollen sie schließlich nur die Qualität des Obatzden sichern, verhindern, dass Öle oder Fette mit schlechterer Qualität hineingemischt werden. Und wenn jemand unbedingt meint, er müsse zum Obatzden Bärlauch oder womöglich Curry mischen – auch wenn Linderer das gar nicht gut findet –, kann er das ja machen. Solange alles im Rahmen bleibt.

Könnte aber nicht einfach der Verbraucher selbst entscheiden, welchen Obatzda er kaufen will – so wie beim Bier oder allen anderen regionalen Produkten auch? Nein, das würde regelmäßig Menschen enttäuschen, die Obatzda kaufen, meint Linderer. „Wir können uns nicht leisten, dass schlechte Qualität auf den Markt kommt.“ Weil sonst die Menschen vielleicht nie wieder Obatzda kaufen würden.

Es könnte also sein, dass Obatzda künftig oft „bayerisches Käsegericht“ heißt. „Ich denke, dass unsere Chancen gut sind“, sagt Maria Linderer. „Ich glaube, es steht ganz gut für uns“, sagt Pflaum-Sprecher Michael Schreck. Bis das Gesetz in Kraft träte, könnte es aber ohnehin noch ein paar Jahre dauern. Zeit genug, sich einen schönen neuen Namen auszudenken. Am Ende bleibt ja doch alles bloß Käse.