: Streit um Info-Broschüre
Volksentscheid zur Stärkung des Volksentscheides am 14. Oktober steht auf der Kippe. CDU-Broschüre operiert mit Lügen und Verdrehungen, finden Initiative und Rot-Grün. Stopp vor Gericht wird geprüft
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Die Durchführung des Volksentscheides am 14. Oktober ist fraglich. Die Initiative „Mehr Demokratie“ erwägt, gegen eine am Mittwoch von der CDU in der Bürgerschaft durchgesetzte Informationsbroschüre vor Gericht zu gehen. „Wir prüfen rechtliche Schritte“, bestätigte Manfred Brandt von der Initiative gestern gegenüber der taz. „Ich habe den Initiatoren empfohlen, einen Stopp das Infohefts juristisch prüfen zu lassen“, stellte Farid Müller, Verfassungspolitiker der GAL, klar: „Der Text ist demagogisch und populistisch.“
Auf der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch hatte die CDU-Mehrheit nach einer erbittert geführten Debatte über den Volksentscheid „Hamburg stärkt den Volksentscheid“ ihre Sicht der Dinge als offizielle Stellungnahme der Bürgerschaft durchgesetzt (taz berichtete). Diese empfiehlt nun in einer Informationsbroschüre allen HamburgerInnen, den Volksentscheid am 14. Oktober abzulehnen. Dieser soll Volksentscheide verbindlich machen und die Quoren senken.
Das Infoheft jedoch „wimmelt von Lügen, Halbwahrheiten und Verdrehungen“, erregt sich nun Müller. So heiße es auf Seite 5 der Broschüre, dass nach dem Willen von „Mehr Demokratie“ künftig „2,5 Prozent der Wähler ein Veto-Recht bekommen sollen und Gesetzgebung blockieren können“. Müller weißt darauf hin, dass 2,5 Prozent lediglich das Quorum der zu sammelnden Unterschriften ist, damit die nächsten Schritte – Volksbegehren und Volksentscheid – eingeleitet werden können.
Auch heißt es in dem Heft, dass künftig „35 Prozent ausreichen sollen, um die Verfassung zu ändern“ – im Parlament würden aber „aus gutem Grund 66,6 Prozent benötigt“. Auch das sei eine Halbwahrheit, findet Müller. Nach dem Wahlergebnis vom Februar 2004 repräsentiere eine Zweidrittel-Mehrheit in der Bürgerschaft wegen geringer Wahlbeteiligung und der Fünf-Prozent-Hürde lediglich 40,71 Prozent aller Wahlberechtigten. Bei einer Verfassungsänderung im Parlament ist zudem lediglich die Anwesenheit von drei Vierteln der Abgeordneten erforderlich: „Zwei Drittel ergeben dann nur noch 31 Prozent“, hat Müller ausgerechnet, da liege ein Volksentscheid mit 35 Prozent „gut in der Mitte“.
Für „richtig mies“ hält Müller gleich am Anfang des Heftes die Behauptung: „Nirgendwo ist Volksgesetzgebung so leicht machbar wie in Hamburg. Das reicht einigen einflussreichen Drahtziehern aber nicht.“ Weshalb diese die Hürden noch weiter senken wollten, um „Populismus von links und rechts Tür und Tor zu öffnen“. Damit begebe sich „die CDU auf das Niveau extremistischer Parteien“, findet Angelika Gardiner von „Mehr Demokratie“.
Das mache der Vergleich mit der Volksgesetzgebung in Bayern deutlich. Dort reichen für Verfassungsänderungen 25 Prozent der Wahlberechtigten (in Hamburg 35 Prozent), einfache Gesetze können dort ohne Mindestquorum von der Mehrheit der Abstimmenden geändert werden (in Hamburg die Mehrheit von mindestens 20 Prozent Wahlbeteiligung). „Verlogenheit auf ganzer Linie“ wirft deshalb der SPD-Verfassungsexperte, Andreas Dressel, der CDU vor.
Bei dem Volksentscheid am 14. Oktober sollen die HamburgerInnen darüber abstimmen, ob Volksentscheide künftig für Senat und Bürgerschaft verbindlich sein sollen. Dann könnten sie – wie beim LBK-Verkauf und beim Wahlrecht – nicht mehr von der einfachen Mehrheit im Parlament geändert werden. Sollte die Broschüre aber gerichtlich gestoppt werden, müsste der Volksentscheid verschoben werden – womöglich auf den Termin der Bürgerschaftswahl am 24. Februar 2008.