Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Jonathan Littells Roman „Die Wohlgesinnten“ ist auch der Versuch, eine Orestie des 20. Jahrhunderts zu schreiben. Denn die titelgebenden „Wohlgesinnten“, das sind die Rachegöttinnen, die Erinnyen, die nach dem Verfahren gegen den Muttermörder Orest ihre Macht verloren haben. Bei Littell ist Orest ein skrupelloser SS-Mann, aus dessen Perspektive auf über 1.000 Seiten der Leser unmittelbarer Zeuge und fast Mittäter der Wehrmachtsverbrechen in der Sowjetunion und an den Juden Europas wird. Am Maxim Gorki Theater hat Armin Petras den Roman für die Bühne bearbeitet. Premiere ist am Freitag. Das intellektuelle Monster, den jungen SS-Mann Max Aue, spielt Jungstar Max Simonischek. Als Monster galt auch der buckelige Glöckner von Notre Dame, die berühmte Romanfigur von Victor Hugo, die später eine berühmte Filmfigur geworden ist. An den Sophiensälen befasst sich ab Donnerstag die Performancegruppe monster truck mit dem Fall aus dem mittelalterlichen Paris, mit Quasimodo, der die schöne Zigeunerin Esmeralda liebt und vergeblich vor dem Scheiterhaufen zu schützen versucht. monster truck, 2005 gegründet, verspricht uns ein „Tableau vivant, das sich aus Versatzstücken der überbordenden, karnevalistischen Welt Victor Hugos zusammensetzt“. Gefasst machen kann man sich auf ein höchstaktuelles Spektakel über die Gier der Massen, über Sensation und Verhängnis. Über das Volk, von dem Brecht so optimistisch dachte, dass es nicht tümlich ist, wobei wir hier aber leider nicht so sicher sind. Im HAU ist in dieser Woche wieder das begehbare Stadthörspiel „50 Aktenkilometer“ von Rimini Protokoll zu erleben, das uns via GPS-Radioortung mit einem Smartphone auf die Reise durch Berlin-Mitte und menschliche Abgründe wie kafkaeske Absurditäten der Stasi-Überwachung schickt.

■ „Die Wohlgesinnten“: Maxim Gorki Theater, ab Fr.

■ „Der Glöckner von Notre Dame“: Sophiensäle, ab Do.

■ „50 Aktenkilometer“: HAU, Di.–Mo.