: Komödie der Demütigungen
ITALIEN In „Gianni und die Frauen“ von Gianni di Gregorio spielt er selber einen um die 60 Jahre alten Frührentner, dem die Frauen auf der römischen Nase herumtanzen
VON WILFRIED HIPPEN
„Sie sehen mich gar nicht mehr! Ich könnte nackt in dieser Bar herumlaufen, und keine Frau würde es bemerken.“ So beklagt sich Gianni bei einem Freund, und tatsächlich scheint die Kellnerin hinter der Bar die intensiven Blicke der beiden Männer auf ihren Körper gar nicht wahrzunehmen. Vielleicht ist sie aber auch zu schlau, um sich etwas anmerken zu lassen, und damit würde sie dann zu einer ganzen Reihe von Frauen zu gehören, die den armen Gianni auf eine sanfte Art ausnutzen. Das beginnt (natürlich) schon bei seiner Mutter, einer ziemlich zerschrumpelten, aber noch sehr agilen Seniorin, die ihn ständig mit dem Handy für kleine Besorgungen zu sich ruft. Er kommt dann auch wie ein braver Hund und die beklagte schlimme Krise entpuppt sich als die Poker-Runde der Seniorin, zu der Gianni den Imbiss und die Getränke reichen soll. Er hat offensichtlich nie gelernt, bei einer Frau „nein“ zu sagen, und hat jetzt das Gefühl, zu ihm würde keine Frau mehr „ja“ sagen.
Von der Gattin hat er sich getrennt, lebt aber mit ihr und der Tochter noch unter einem Dach und macht für beide ständig die kleinen Besorgungen. Für die Nachbarin führt er den Hund aus, eine alte Freundin lädt ihn zu sich nach Hause ein, weil er so gut kochen kann und die Pflegerin seiner Mutter erzählt ihm in einem in seinen Augen vielversprechend romantischen Moment, sie habe von ihm als ihrem Großvater geträumt. Giannis Blick wird im Laufe des Films immer wehmütiger, und auch für den Zuschauer hat diese Komödie der Demütigungen einen melancholischen Unterton, denn Gianni ist ein gutmütiger Pechvogel, dem wir dabei zusehen, wie er sich bemüht, aber von den Frauen nicht erlöst wird.
Gianni di Gregorio steht mit seinen Komödien in der Tradition von Woody Allen und Nanni Moretti. Auch seine Antihelden sind Stadtneurotiker und Selbstironie ist seine größte Stärke. Aber er nutzt, anders als die beiden, seinen Humor nie als eine Waffe. De Gregorio gönnt seinem alter ego keinen scharfsinnigen Satz und die Lacher sind letztlich immer auf seine Kosten. Wie schon seine letzter Film „Das Festmahl im August“ ist „Gianni e le donne“ stilistisch kaum als Komödie zu erkennen.
Mit einem genauen Blick auf das alltägliche Leben eines Römers des oberen Mittelstandes hat der Film eher einen realistisch, fast dokumentarischen Ansatz. Und de Gregorio forciert auch keine komischen Situationen, sondern folgt Gianni bei seinem alltäglichen, im Grunde recht bequemen Martyrium. Dadurch ist der Film entspannend und gibt dem Zuschauer die Muße, sich diese zeitgenössischen RömerInnen genau anzusehen.
Jeder dieser Charaktere ist eine komplex aufgebaute und gespielte Persönlichkeit, und der Film scheint Gianni und seinen Frauen dabei sehr nah zu kommen. Diese Unschärfe zwischen Spiel und Realität betont Gianni noch dadurch, dass alle Figuren die Namen ihrer Darsteller tragen und di Gregorios Tochter auch im Film seine Tochter spielt. Der Film endet mit einem Wunschtraum Giannis, der darin von allen Frauen bedient und begehrt wird. Ein wenig muss diese Fantasie für den Filmemacher di Gregorios wahr geworden sein, denn bei den Dreharbeiten durfte er ja, anders als im Film, all die Frauen nach Herzenslust herumkommandieren.