piwik no script img

Archiv-Artikel

Schockpreise statt Schockbilder

Der Chef des Gesundheitsausschusses im EU-Parlament will das Rauchen mit einer Milliardenumlage bekämpfen

BERLIN taz ■ Seit dem Wochenende ist das Rauchen in Zügen und Taxen untersagt, demnächst werden weitere Landtage Rauchverbote in Gaststätten beschließen und seit neuestem wird über Schockfotos auf Zigarettenschachteln diskutiert. Karl-Heinz Florenz, Chef des Gesundheitsausschusses im Europaparlament, kämpft schon lange gegen den Tabak. Der CDU-Mann hat die Erfahrung gemacht, dass das wirksamste Mittel gegen das Rauchen das Geld ist. Deshalb will er durchsetzen, dass die EU die Zigarettenindustrie mit einer Milliardenumlage belastet.

„Die Kultur des Rauchens ist so tief in den Köpfen verankert, dass man das am besten über den Geldbeutel regelt“, sagte Florenz der taz. Nächsten Dienstag tagt der Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments. Florenz wird einen Bericht zum Rauchen vorlegen. Dann soll das Parlament die EU-Kommission beauftragen, sich auszudenken, wie die durchs Rauchen entstehenden Kosten auf die Industrie und über den Preis auf die Raucher umgelegt werden können. „Die Verursacher sollen den Schaden zahlen. Warum soll ein nichtrauchender Landarbeiter für einen penetranten Kollegen zahlen, der es nicht lassen kann?“

Nach einer Studie der Universität Hamburg entstehen durch das Rauchen in Deutschland Kosten in Höhe von 55 Milliarden Euro. In dieser Rechnung enthalten sind Krankheitskosten, Invaliditätskosten, soziale Kosten für die Familie, verfrühte Inanspruchnahme von Versicherungen, Arbeitsausfall und der Produktivitätsverlust für die Gesellschaft. Nach einer Münchner Studie von 2006 verursacht das Rauchen 7,5 Milliarden Euro für Arztkosten, Krankenhausaufenthalte, Rehabilitation und Arzneimittel. Die Verluste für Betriebe durch Erkrankungen und vorzeitiges Ausscheiden werden auf 13,5 Milliarden beziffert.

Florenz sagte: „Wenn wir allein die Gesundheitskosten nehmen, ist das immer noch mehr als die Tabaksteuereinnahmen in Deutschland.“ 2006 kassierte der Bund 14,3 Milliarden Euro an Tabaksteuern. „Meinetwegen könnte man in Deutschland die Tabaksteuer zugunsten einer Umlage ersetzen, die direkt ins Gesundheitssystem fließt.“

Die EU müsse per Richtlinie vorgeben, dass die Mitgliedsstaaten die Tabakindustrie zur Verantwortung ziehen, sagte Florenz. Die genaue Umsetzung solle den einzelnen EU-Staaten überlassen bleiben. Der CDU-Politiker hält seinen Vorschlag für mehrheitsfähig. Er sehe einen „soliden Block, auf den ich mich verlassen kann“.

Die Umlage ist nur ein Teil des Florenz-Berichts. Als weitere Maßnahme wird der Kommission darin ein komplettes Verbot von Zigarettenautomaten empfohlen. Zudem wird gefordert, diejenigen unter den über 600 existierenden Tabakzusatzstoffen zu verbieten, die krebserregend, erbgutschädigend oder suchtverstärkend sind. Die Industrie soll auch gezwungen werden, die Daten über alle Zusatzstoffe innerhalb kürzester Zeit offenzulegen. Weiter soll das Rauchen an allen Arbeitsplätzen in der EU verboten werden, falls die einzelnen Staaten dies nicht tun. GEORG LÖWISCH