Der antizyklische Sportverein

TRAINERSUCHE Cardosos HSV schlägt überraschend Stuttgart. Keine Überraschung ist, wer auf Cardoso folgt

Die Mannschaft ist noch nicht aus der Sackgasse raus, in die sie Stevens geführt hat

Der Hamburger Sportverein steht trotz eines 2:1-Siegs beim VfB Stuttgart punktgleich mit Augsburg und Freiburg am Tabellenende der Fußball-Bundesliga. Außerdem steht der Club vor der Verpflichtung des 57-jährigen Trainers Huub Stevens. Das melden Hamburger Morgenpost und Hamburger Abendblatt, in denen sich der Niederländer als HSV-Trainer angeboten hatte.

Stevens kommt, wenn einem Team das Wasser bis zum Hals steht, und die Vereinsführung schwach ist. Das letzte Mal hatte er, als Nachfolger von Thomas Doll, den HSV 2007 vom Tabellenende in den UI-Cup geführt, die Uefa-Hoffnungsrunde. Der Fußball war schrecklich. Stevens regierte mit harter Hand. Er verließ den HSV wegen seiner kranken Frau. Mit wenig Erfolg trainierte er den PSV Eindhoven, wurde mit Red Bull Salzburg 2010, zum ersten Mal, Meister. In Österreich.

Stevens’ Fußball war schon 2007 veraltet, umso mehr ist er es heute. Die Trainer, die in der Liga mit interessantem Spiel aufwarten, sind 15 Jahre jünger, gehen kollegial mit ihren Spielern um, und lassen stürmen. Wenn man, bei aller Konzeptlosigkeit der vergangenen Jahre, etwas beim HSV erkennen konnte, dann den Versuch, den Stil der Mannschaft aus der Sackgasse zu holen, in die sie Stevens geführt hatte. Martin Jol, Bruno Labbadia, Armin Veh und Michael Oenning bemühten sich, mit mehr oder weniger Erfolg, offensiven Fußball spielen zu lassen.

Damit ist jetzt Schluss. Wenn der HSV am Montag Stevens vorstellt, erweist sich Sportdirektor Frank Arnesen als Mann des einfachen Wegs. Spieler holt der Ex-Jugendkoordinator des FC Chelsea dort, wo er sich auskennt, als Trainer holt er den, der ihm eingeflüstert wird. Beim Fernseh-Interview nach dem Spiel in Stuttgart wirkte er orientierungslos, als ihm der Name des starken Tomás Rincón nicht einfiel. Er nannte ihn „der Kleine“.

Stevens ist eine Übergangslösung. Dabei hatte der Vorstandsvorsitzende Carl-Edgar Jarchow gesagt: „Wir suchen einen Trainer, der unsere Philosophie des Umbruchs vertritt. Wir bleiben dabei, dass wir endlich Kontinuität entwickeln wollen.“ Gefunden haben sie was anderes.

Die Tatsache, dass der Trainer der zweiten Mannschaft, Interimscoach Rodolfo Cardoso, keinen Trainerschein für die Bundesliga hat, aber gute Ideen, passt: Er stellte den frechen 20-jährigen Zhi-Gin Lam aus der zweiten Mannschaft ins rechte Mittelfeld, den guten 19-jährigen Gökhan Töre ins linke, der kampfstarke Kapitän Heike Westermann verteidigte rechts, und Jeffrey Bruma gewann innen alle Zweikämpfe und schlug bemerkenswerte Pässe. Cardoso setzte auf jung und offensiv. Der HSV handelt mit Stevens, wie es sich einer Kaufmanns-Stadt ziemt: anti-zyklisch. ROGER REPPLINGER