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Archiv-Artikel

Wie du mir, so ich dir

RAG soll kritische Berichterstattung der WAZ-Gruppe mit Anzeigenboykott beantwortet haben – RAG leugnet das

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klingt genervt. „Der Vorwurf der WAZ ist für uns weder nachvollziehbar noch trifft er zu“, sagt Barbara Müller, Sprecherin der RAG.

Seitdem die Gerüchte über einen angeblichen Anzeigenboykott der RAG die Runde machen, hört ihr Telefon nicht auf zu klingeln. Wie der Focus in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, beschuldigt die WAZ-Mediengruppe den Essener Mischkonzern RAG (früher Ruhrkohle AG), wegen unliebsamer Berichterstattung weniger Anzeigen zu schalten. Hintergrund ist eine groß angelegte Werbeoffensive anlässlich der Einführung des neuen Konzernnamens, der heute bekannt gegeben wird. Dabei spielt die Westdeutsche Allgemeine mit fünf Anzeigenseiten jedoch nur eine untergeordnete Rolle. In der WAZ-Gruppe insgesamt gibt es 15 Seiten. Die vergleichsweise kleine Rheinische Post bekommt ebenfalls 15.

„Die WAZ-Gruppe deckt halb NRW ab. Konkurrenten mögen vielleicht gleich viel einnehmen, aber wir haben mit vier Titeln eine viel größere Auflage“, sagte WAZ-Sprecher Paul Binder gestern der taz. „Die RAG wirft uns vor, uns in der Akquise nicht genug bemüht zu haben – ein Hohn. Laut Gesprächsprotokollen der Anzeigenleitung gab es eine Fülle von Kontakten.“

Die Wirtschaftsredaktion der WAZ hatte sich mehrfach kritisch über RAG-Chef Werner Müller, den „einsamen Ruhr-Baron“, geäußert. Zitat: „Der RAG-Chef Werner Müller hat es sich mit seinen Alleingängen in der Düsseldorfer Staatskanzlei verscherzt.“ Jetzt kassiert die WAZ, laut Binder, die Quittung. „Wir verlieren eine Million Euro, das ist unglaublich.“

Die RAG streitet die Vorwürfe ab. Im Rahmen der Kampagne seien in 32 Zeitungen und Zeitschriften Anzeigen geschalten worden. Mit 15 Seiten liege die WAZ-Gruppe auf Platz vier. Bis heute, erklärt Müller, sei von der RAG niemand auf die Beschuldigungen angesprochen worden, „weder ein Vorstand noch ein Kommunikationsverantwortlicher noch unsere Media-Agentur.“

Dass kritische Berichterstattung mit Anzeigenentzug bestraft wird, ist nicht neu. Erst im August war bekannt geworden, dass Edeka bei Gruner & Jahr und RTL Anzeigen und Werbespots in Millionenhöhe zurückpfiff, nachdem die Financial Times Deutschland – auch Gruner & Jahr – kritisch über die Supermarktkette berichtet hatte. Umschichtung des Werbebudgets, hieß es dazu bei Edeka. Aldi stornierte Anzeigen in der Süddeutschen Zeitung, die Deutsche Bahn in Capital, Lidl in der Badischen Zeitung, Hermes zog Fernsehspots im ZDF zurück. Ein gängiger Versuch, auf Berichterstattung vielleicht doch Einfluss nehmen zu können.

SARAH STRICKER