Vom Öko-Terroristen bis Huck Finn

FILMFEST In den nächsten neun Tagen werden auf dem Filmfest Hamburg mit Schwerpunkten wie Umwelt und Island 151 Filme aus aller Welt gezeigt . Dabei geht es vor allem nachhaltig zu.

VON WILFRIED HIPPEN

Es soll ein „nachhaltiges“, ein „grünes“ Festival werden. Hamburg ist gerade „Umwelthauptstadt“, und da zieht das Filmfest Hamburg gerne mit. Im Programmheft wird penibel aufgelistet, dass ebenjenes Druckerzeugnis aus 100-prozentigem Recyclingpapier besteht, die Filmfesttasche sei aus „100 Prozent Organic Cotton“ und bei den Abfällen im Festivalzentrum wird strengste Mülltrennung garantiert. In der Programmschiene „Drei Farben Grün“ werden „Wege aus der Umweltkrise“ versprochen, und in den zehn dort gezeigten Dokumentationen wird tatsächlich ein breites Spektrum von Umweltproblemen behandelt. In „Cattle“ sieht sich der französische Filmemacher mit dem passenden Namen Emmanuel Gras etwa genau an, was genau ein Rind überhaupt ist. Der Aktivist Peter Watson und seine Aktionen gegen Walfänger und Robbenjäger wird in „Confessions of an Eco-Terrorist“ porträtiert und in „Raising Resistance“ berichten Bettina Borgfeld und David Bernet von Kleinbauern in Paraguay, die sich gegen die zunehmenden Monokulturen mit genmanipuliertem Soja wehren.

Partnerland des Filmfestes ist in diesem Jahr Island. Darüber, dass der ökonomische Kollaps der Insel eine ökologische Chance sein kann, wird in dem vielleicht ein wenig zu programmatisch betitelten Dokumentarfilm „Future Of Hope“ berichtet. In der Retrospektive mit dem Titel „Island Deluxe“ (den man dagegen auch ironisch verstehen kann) werden neun ganz unterschiedliche Produktionen aus den 80er und 90er Jahren gezeigt. Darunter mit dem dokumentarischen Roadmovie „Der Ring“ ein Frühwerk von Fridrik For Fridriksson aus dem Jahr 1985 und natürlich mit „Der Flug der Raben“ von Hrafn Gunnlauggsson auch ein waschechter Wickinger-Film.

Ein eher verstecktes Thema des Festivals ist dagegen das Sterben. Andreas Dresen, der in diesem Jahr zusammen mit seinem Produzenten Peter Rommel den Douglas-Sirk-Preis verliehen bekommt, stellt seinen neuen Film „Halt auf freier Strecke“ vor, in dem er sehr konzentriert und einfühlsam von dem langsamen Tod des an einem Gehirntumor erkrankten Frank erzählt. Thematisch ganz ähnlich aber stilistisch völlig anders hat Gus Van Sant seinen neuen Film „Restless“ angelegt. Er erzählt darin von der krebskranken Annabel, die die letzten Tage ihres Lebens so intensiv wie nur möglich genießen will und dabei Freundschaft mit dem todessehnsüchtigen Enoch schließt.

Ein weiteres Leitmotiv des Filmfestes sind die aktuellen Veränderungen im Nahen Osten. Schon mit der Wahl des Eröffnungsfilms wird da ein Zeichen gesetzt. Der iranische „Auf Wiedersehen“ handelt von den Schikanen durch das Regime, die eine Anwältin erleiden muss, nachdem sie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Gespannt darf man auch auf den neuen Film von Marjane Satrapi sein. Mit der Graphic Novel „Persepolis“ und deren kongenialen Filmadaption hatte sie einen großen, internationalen Erfolg, doch nun versucht sie in „Huhn mit Pflaumen“ etwas anderes. Die ebenfalls von ihr gezeichnete Vorlage hat sie zusammen mit Vincent Paronnaud als einen Realfilm inszeniert. Erzählt wird von einem Geigenvirtuosen, der durch die Zerstörung seines Instruments in eine existentielle Krise gestürzt wird und sich deshalb auf die Spuren seiner abenteuerlichen Vergangenheit begibt.

Als Eröffnungsfilm des Programms für Kinder und Jugendliche wird der besonders in Hamburg schon lange erwartete „Tom Sawyer“ von Hermine Huntgeburth gezeigt. Während viele Regisseure darauf bestehen, an Originalschauplätzen zu drehen, wurde hier mit sympathischer Keckheit einfach die Havel in den Mississippi von 1880 verwandelt. Auch das ist „recycling“ und „organisch“, passt also ideal zum Filmfest.