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Archiv-Artikel

Prozess statt Therapie für El Masri

Nach seiner Verschleppung durch die CIA wartet Khaled El Masri vergeblich auf Therapie und Rehabilitierung. Stattdessen will die Staatsanwaltschaft ihn schleunigst wegen Brandstiftung in einem Supermarkt vor Gericht stellen

NEU-ULM taz ■ Wohl noch in diesem Jahr kommt der Neu-Ulmer Khaled El Masri vor ein Gericht – doch nicht als psychisch und finanziell geschädigtes Entführungsopfer, sondern als Straftäter, dem möglicherweise mehrere Jahre Haft drohen. Die Staatsanwaltschaft Memmingen hat jetzt Anklage gegen den Deutschen libanesischer Herkunft erhoben. Sie wirft ihm gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Hausfriedensbruch, Brandstiftung und Sachbeschädigung vor.

Die Anklage fasst in ihrer Schrift zwei mutmaßliche Straftaten zusammen: Im Januar hatte El Masri einen Ausbilder in der Ulmer Dekra-Niederlassung nach einer Auseinandersetzung um Fehlstunden durch Schläge verletzt. Im Mai zündete der 43-Jährige einen Metro-Großmarkt in Neu-Ulm an. In den Morgenstunden hatte er mit einem Auto die Tür des Marktes zerstört, im Innern drei Benzinkanister ausgeschüttet und Feuer gelegt. Der Schaden wird auf rund 300.000 Euro geschätzt.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft beleidigte der Angeschuldigte im Januar eine Mitarbeiterin des Metro-Marktes. Im April soll er eine weitere Verkäuferin angespuckt haben, worauf ein Hausverbot gegen ihn ausgesprochen wurde. Anlass war ein defektes i-Pod-Gerät, das die Marktangestellte offenbar nicht umtauschen wollte.

Masri hatte sich nach der Brandstiftung widerstandslos von der Polizei festnehmen lassen. Eine Flucht hatte er offenbar nicht geplant. Zunächst wurde er in die psychiatrische Abteilung eines Günzburger Krankenhauses eingewiesen. Inzwischen ist er in ein anderes Krankenhaus in Bayern verlegt worden. Dort wurde ein Gutachten zu seiner Schuldfähigkeit erstellt.

Obwohl dieses Gutachten laut Staatsanwaltschaft schriftlich noch nicht vorliegt, ist dennoch bereits Anklage beim Landgericht Memmingen erhoben worden. Masris prinzipielle Schuldfähigkeit ist der Anklagebehörde vorab mitgeteilt worden. „Der Sachverständige ist sich innerlich schlüssig“, sagte Oberstaatsanwalt Johann Kreuzpointner: „Wenn Sie den Schluss ziehen, dass Herr Masri zum Tatzeitpunkt nicht total schuldunfähig war, liegen Sie richtig.“ Die Eile des Verfahrens sei nichts Ungewöhnliches, schließlich gelte „in Haftsachen der Beschleunigungsgrundsatz“.

Schon im September 2006 war die Memminger Justiz rasch zur Stelle. Masri hatte auf die Frage im Ausländeramt des Landratsamts Neu-Ulm, ob er einen Terroristen kenne, geantwortet: „Ja, Günther Beckstein.“ Die Staatsanwaltschaft leitete auf eine anonyme Anzeige hin ein Ermittlungsverfahren ein, der bayerische Innenminister verzichtete jedoch auf die weitere Strafverfolgung.

Masris Ulmer Anwalt Manfred Gnjidic erwartet ein für ihn schwieriges Verfahren. Nach den Ausrastern seines Mandanten sieht er vor allem die Gefahr, dass Masris sechsmonatige Entführung durch die CIA nach Afghanistan im Jahr 2004 ungeahndet bleiben könnte. Zweimal schon wurde die Schadenersatzklage, die Gnjidic mit Hilfe der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) gegen die CIA angestrengt hatte, mit Berufung auf Staatsgeheimnisse, die berührt seien, abgelehnt. Über eine Zulassung der Ende Mai eingelegten Berufung vor dem obersten Gericht der USA, dem Supreme Court, ist bis heute nicht entschieden.

Gnjidic sagt, seinem Mandanten gehe es weiterhin sehr schlecht. „Tief im Innern vermisst er, dass jemand die Hand ausstreckt und ihn rehabilitiert.“ Eine Therapie der Folgen durch Folter in der Kerkerhaft habe auch im Bezirkskrankenhaus Günzburg nicht stattgefunden. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Memmingen bestätigt das. „Es ist lediglich ein Unterbringungsbefehl erlassen worden.“ RÜDIGER BÄSSLER