Alle werden gewaltsam getötet

Gespräch mit den Aktivistinnen Friederike Schmitz von der Gruppe „Grüne Woche Demaskieren“ und Mirjam Rebhan von der „Berliner Tierbefreiungsaktion“

■ Sonntag, 25. JanuarDie Berliner Tierbefreiungsaktion (BerTA) veranstaltet immer am letzten Sonntag im Monat einen Soli-Nachmittag. Interessierte sind eingeladen, sich mit der BerTA in gemütlicher Runde auszutauschen. Es gibt veganes Essen, man kann auch selbst etwas mitbringen. Wenn nicht, ist trotzdem genug für alle da. Der Soli wird diesmal zur Unterstützung der „Grüne Woche Demaskieren“-Proteste eingesetzt. Ab 14 Uhr, Villa Felix, Schreinerstraße 47

INTERVIEW SVENJA BEDNARCZYK

taz: Frau Schmitz, Ihre Gruppe „Grüne Woche demaskieren“ protestiert während der Landwirtschaftsmesse gegen die Ausbeutung von Tieren. Auf einem ihrer Plakate stand „Fleisch ist Mord“. Wirkt das nicht eher abschreckend auf die Besucher*innen? Friederike Schmitz: Schwierig zu beantworten, denn wir bekommen ganz unterschiedliches Feedback von den Menschen. Für manche Leute ist das abschreckend, andere regen Plakate wie dieses zum Nachdenken an. Generell geht es unserer Gruppe darum, der Werbemaschinerie der Grünen Woche eine Botschaft entgegenzusetzen. Warum ist die Grüne Woche eine Werbemaschinerie? Schmitz: Die Industrie hat ihre Kommunikationsstrategie geändert: Sie erzeugt den Anschein von Transparenz. Beim Tag des offenen Hofes kann man sich die Mastanlagen von innen ansehen, aber meistens am Anfang der Mastperiode, wenn die Küken noch süß aussehen und der Einstreu noch trocken ist. Auf der Grünen Woche zeigen sie Tiertransporter, auf denen steht „Wir transportieren Tierschutz“. Aber es wird nicht gesagt, wie viele Tiere sich bei den Transporten Knochenbrüche holen oder wie lange die Transportzeiten sind. Was kritisieren Sie inhaltlich an der Grünen Woche? Schmitz: Die Grüne Woche ist die weltgrößte Messe für Landwirtschaft und Ernährung und steht für das gegenwärtige Landwirtschaftssystem. An diesem kritisieren wir die Tierindustrie, in der Milliarden von fühlenden Individuen ausgebeutet werden, um Milch, Fleisch oder Eier zu produzieren. Zudem ist die Landwirtschaft auch im Bezug auf Pflanzen zerstörerisch. Es werden Pestizide eingesetzt und der Regenwald abgeholzt. Außerdem kritisieren wir die globale Ungleichverteilung durch die kapitalistische Organisation der Landwirtschaft. Zu Ihren Aktionen: Sie begleiteten die Messe mit Mahnwachen zusammen mit der Berliner Tierbefreiungsaktion (BerTA). Die Themen Tiere und Tiere essen sind oft sehr emotional besetzt. Werden Sie oft angegangen bei solchen Aktionen? Mirjam Rebhan: Ein Klassiker ist, einen Fehler bei uns zu suchen. Menschen rufen: „Ihr tragt ja Lederschuhe“, und laufen weg, bevor man ihnen sagen kann, dass das vegane Schuhe sind. Die Leute haben ein Gespür dafür, dass sie etwas falsch machen, aber anstatt sich diesem Konflikt zu stellen, suchen sie lieber einen Fehler bei uns, damit sie nichts ändern müssen. Die Leute haben unglaubliche Angst, dass man ihnen ihr Fleisch wegnimmt. Das liegt vielleicht an den ganzen Ideologien, die damit verbunden sind, wie für Männer, dass Fleischessen besonders männlich ist. Aber es gibt auch sehr positive Rückmeldungen.Frau Rebhan, bis 2010 nannte sich ihre Gruppe „Berliner-Tierrechts-Aktion“. Warum haben Sie die Rechte gegen die Tierbefreiung im Namen getauscht? Rebhan: Bei dem Begriff Tierbefreiung geht es nicht nur darum, Tieren Rechte zuzugestehen wie das Recht auf Leben und Unversehrtheit, es geht auch um die Befreiung von dem Konzept Tier. Der Begriff Tierbefreiung umfasst beides. Schmitz: Wenn man Tierrechte fordert, denken viele Menschen, es ginge primär um eine Veränderung von Gesetzen. Das Besondere an der Tierbefreiungsbewegung ist aber, dass sie eine grundsätzliche Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse inklusive des Staatsapparats und der Justiz äußert. Gibt es nicht auch gute Tierhaltung? Rebhan: In der Theorie gibt es keine gute Tierhaltung. Der Mensch lebt seine eigenen Interessen und Bedürfnisse aus, wie Schmusen mit dem Haustier. Es ist schwierig, ein Tier zu halten, aber es kann positive Beziehungen zwischen Menschen und Tieren geben, wenn die Tiere eine Entscheidungsfreiheit haben, wie wenn sie kommen und gehen können, wann sie wollen. Schmitz: In jeder Nutztierhaltung wird es noch klarer. Es werden die Bedürfnisse der Tiere eingeschenkt, sie werden eingesperrt und verstümmelt, auch in vermeintlich guten Haltungsformen. Eltern und Kinder werden getrennt und alle werden gewaltsam getötet. Da wir uns auch anders gut ernähren können, lässt sich aus unserer Sicht all diese Gewalt nicht rechtfertigen.

Ungekürzte Fassung des Gesprächs: bewegung.taz.de