Die Museumsreisende

Mit dem Koffer holt sie Menschen aus ihrer Blase – vor allem Demente, die schon lange schweigen und oft nicht wissen, ob sie ihre Socken anhaben. Die sagen plötzlich „So einen Teddy hatte ich auch“, wenn Kirsten Brandes, Pädagogin im Peiner Museum für Alltagskultur, im Seniorenheim ihren Koffer auspackt und zum Beispiel alte Schulutensilien zeigt. Wenn sie so etwas erlebt, stehen Brandes Tränen in den Augen. „Denn dann hat dieser Mensch einen kleinen Moment sein Selbstwertgefühl wieder, denn er hat etwas gewusst.“

Entstanden ist das mehrfach prämierte Museumskoffer-Projekt durch Zufall, denn eigentlich war Kulturwissenschaftlerin Brandes im Museum für Kindergeburtstage zuständig. Irgendwann sagte eine alte Besucherin: „Ach, wenn wir sowas Schönes doch in unserem Heim hätten!“ Stimmt, dachte Brandes, warum nicht? Das ist vier Jahre her, und seither tourt sie in Heime der Umgebung, die sie gegen Geld buchen können; 300 bis 400 Koffer hat sie schon gepackt, um sie in lockerer Runde vorzustellen.

Dabei geht es vor allem um Erinnerungsarbeit, denn wenn die 39-Jährige fertig erzählt hat, sind die Senioren dran. Und nicht nur das, sie dürfen die Schiefertafeln und Ranzen auch anfassen. „Ich habe meinen eigenen Fundus“, sagt Brandes, „und wenn etwas kaputtgeht, ist es kein Drama.“ Der Kontakt zu den Menschen sei ihr wichtiger.

Und der ist keine Einbahnstraße: „Manchmal habe ich einen Gegenstand, dessen Funktion ich nicht herausbekomme“, erzählt sie. „Den nehme ich mit auf Tour, und irgendwann erklärt mir jemand, wofür er benutzt wurde.“

Dann ist die Museumspädagogin zufrieden, auch wenn sie es noch nicht geschafft hat, das alles aufzuschreiben. Denn sie betreut ja auch die Kindergeburtstage, und die ähneln denen der Senioren. „Beide Gruppen kann man leicht mitreißen“, sagt sie. Wozu auch beiträgt, dass Brandes gern vorn steht und Dinge vorführt. „Aber eben nicht aus der Scherzkiste, sondern mit Sinn und Verstand.“  PS