Graues Gänsehautschön

DUNKELMUSIK Das Berliner Duo Oake kombiniert die Düsterkeit von Industrial mit Rudimenten von Clubmusik. Man könnte sogar dazu tanzen. Etwa heute, wenn das Duo bei CTM sein Debütalbum „Auferstehung“ vorstellt

■ Die Release-Performance von dem Album „Auferstehung“ des Berliner Duos Oake findet heute am Samstag – im Rahmen des CTM-Festivals – im Yaam, An der Schillingbrücke, um 23 Uhr statt.

■ Das CTM-Festival für experimentelle, elektronische oder sonst wie abenteuerliche Musik (und auch Kunst) startete gestern am Freitag in seine 16. Runde und bietet bis 1. Februar an unterschiedlichen Veranstaltungsorten vom Astra über das Berghain bis eben zum Yaam ein breit angelegtes sonisches Angebot, bei dem unter anderem Alec Empire, die psychedelische Metalband Electric Wizard und die Experimentalrockerinnen Nisennenmondai aus Tokio zu hören sein werden. Programm: www.ctm-festival.de

VON TIM CASPAR BOEHME

Tiefes Grollen. Donnerhall. Von fern tönt eine Posaune. Wenig später versetzt einem der Beat ohne Vorwarnung einen kräftigen Schlag in die Magengrube, nimmt dann langsam Fahrt auf, bis sich aus dem massiven Klang nach und nach ein Rhythmus herausschält, der seinen Ursprung im Club zu haben scheint, auf seinem weiteren Weg allerdings einiges an Gewicht aufgeladen bekommen hat.

Oake nennt sich das Berliner Duo, von dem diese Musik stammt, die einerseits von dunkler Vorahnung und Beklemmung erzählt, andererseits mit ihrem Beat-Fundament eine einladende Geste macht: Man kann sich dazu bewegen, wenn einem danach sein sollte. Man muss aber nicht. Ihr vor Kurzem auf dem britischen Techno-Label Downwards erschienenes Debütalbum trägt den bedeutungsschwangeren Titel „Auferstehung“.

Oake, das sind die Eheleute Bathseba und Eric Sienknecht. Gemeinsam Musik machen sie seit gut drei Jahren, zuvor waren sie unabhängig voneinander in Hardcore-Bands aktiv. Kennengelernt haben sie sich denn auch bei einem Konzert von Erics früherer Band, in der er die Keyboards bediente. „Dem Gitarristen sind ständig die Saiten gerissen“, erinnert sich Eric. „Man hatte dann immer diesen Moment der unbehaglichen Stille mitten im Konzert.“ Zur Überbrückung improvisierte er notgedrungen „Klangteppiche“. Nach den Auftritten habe er oft Drum ’n’ Bass und Jungle aufgelegt, darüber fand er auch zu Techno.

Dass ihre Musik als Oake zu einer öffentlichen Angelegenheit wurde, ergab sich mehr oder minder zufällig. Anfangs hätten sie lediglich zum Spaß ein paar „Songs“ für sich gemacht, so Bathseba: „Wir hatten nicht gedacht, dass das andere Leute überhaupt hören wollen.“

Schwarz-in-Grau-Ästhetik

Es wollten dann aber doch ein paar. Unter anderem Karl O’Connor alias Regis, der Labelchef von Downwards, einer Institution für düstere Klangforschung im Umfeld von Clubmusik. Über eine gemeinsame Freundin waren einige Aufnahmen zu ihm gelangt, die dann das Material der ersten Oake-EP bilden sollten, programmatisch „Offenbarung“ genannt. Das war im Frühling 2013. Der Oake-Sound war schon damals deutlich entwickelt. Am Computer bearbeitete orchestrale Samples mischen sich mit tiefen Bässen, einem sehr dezent stolpernden Beat und dem kaum vernehmlichen Gesang Bathsebas: „Wir wollen die Stimme als Instrument einsetzen, das in der Musik verschwimmt“, wie sie es beschreibt. Dazu die allgemein leicht eingetrübte Stimmung, die auf ihrem Album mitunter monumentale Dimensionen annehmen kann.

Wobei Oake mit ihrer musikalischen Überwältigungsstrategie keinesfalls bloß Unbehagen hervorrufen wollen, ungeachtet aller Schwarz-in-Grau-Ästhetik, in der auch ihre Schallplatten gehalten sind. „Gänsehautschön“ empfindet Eric ihre Musik, und Bathseba ergänzt, dass es ihnen in erster Linie darum gehe, bei ihrem Publikum überhaupt irgendwelche „Gefühle“ hervorzurufen. Zum „passiven“ Hören nebenbei sei Oake nicht gedacht. Oder wie Eric ihre anfängliche Intention beschreibt: „Wie weit kann man gehen vom Sound oder vom Pathos her, dass man die Leute mit der Musik anstupst?“

Man kann sich dazu bewegen, wenn einem danach sein sollte. Man muss aber nicht

Diese Vorgehensweise dürfte einer der Gründe sein, warum Oake von der Presse konsequent mit der britischen Post-Industrial-Band Coil verglichen werden. Tatsächlich gibt es einige Parallelen in den Herangehensweisen der beiden Bands, sei es die detaillierte Arbeit an den Klängen, die oft eher akustisch als elektronisch wirken, oder die finstere Magie, die ihre Stücke verströmen. Oake bestreiten jedoch, vor dem Lesen dieser Artikel von Coil auch nur gehört zu haben. Eric: „Es war halt dieses naive Denken: Wir machen jetzt etwas, das es noch nie gegeben hat.“

Wenn sie im Studio an neuem Material arbeiten, hören sie daher nach Möglichkeit keine Musik von geistesverwandten Künstlern, um sich nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Stattdessen darf es zur Entspannung am Abend schon mal HipHop mit einer Platte von Drake oder Kendrick Lamar sein. Oake sind dabei in der vorteilhaften Lage, nicht von ihrer Musik leben zu müssen – noch so eine unbeabsichtigte Übereinstimmung mit Coil –, sondern anderen Tätigkeiten zum Broterwerb nachzugehen. Eric hat von Berufs wegen gleichwohl mit Musik zu tun: Sein Arbeitgeber ist die Musiksoftwarefirma Native Instruments.

Wenn Oake heute beim CTM-Festival im Yaam auftreten, um ihr Album zum ersten Mal vor Publikum auf der Bühne zu präsentieren, wird es kein Konzert im eigentlichen Sinne geben, dafür einen Live-Mix ihrer Songs, zu dem Bathseba eine Choreografie tanzt. Vielleicht erklären sich auf diese Weise dann ja auch ein wenig die kryptischen Titel wie „Var Genstien“, „Graevann Grewen“ oder „Mortre Wrid“.