LESERINNENBRIEFE :
Mit „Berlin 22“ drohen?
■ betr.: „Kohle für Fusion“, taz vom 1. 10. 11
ITER muss begraben werden, da hat Frau Kotting-Uhl recht. In den kommenden Jahren werden die Sparzwänge steigen, da hat kein Land mehr Luft für diesen utopischen Luxus, der in keiner Weise zur zukünftigen dezentralen Energieversorgung passt.
Wenn es möglich ist, 640 Millionen Euro aus dem Agrarhaushalt in das Dinosaurier-Forschungsprojekt ITER umzuleiten – was die EU-Parlamentarier hoffentlich verhindern werden –, dann sollte es doch auch möglich sein, das Geld für die höchst umstrittene Berliner Autobahnverlängerung in sinnvolle Verkehrsinfrastruktur umzuleiten. Vielleicht könnte man Herrn Ramsauer vorschlagen, auf 10 % des Autobahngeldes zu verzichten, und dafür stimmt er der Umwidmung zu. Das wäre eine echte Win-win-Situation. Oder muss man mit „Berlin 22“ drohen? ANITA SCHWAIER, Altkünkendorf
Es geht um Völkerrecht
■ betr.: „Gott hat es versprochen“ von Micha Brumlik, taz v. 4. 10. 11
Über diesen Beitrag eines jüdischen Intellektuellen bin ich ausgesprochen froh. Vielleicht werden dadurch die deutschen unseligen Vorbehalte gegen eine Anerkennung des Staates Palästina auch ohne Verhandlungen ausgeräumt und Europa kann sich mit einer Stimme dafür aussprechen. Die sonstigen europäischen Bedenkenträger werden sich hoffentlich dann Deutschland anschließen, wenn es sich einmal durchgerungen hat.
Brumlik erörtert ja eindrucksvoll, was von den Verhandlungen zu erwarten ist, nämlich: „Die vermeintlich präzisen Vorgaben des „Nahostquartetts“ sind nicht mehr wert als das Papier, auf dem sie stehen.“ Auch die Absurdität der Vetopläne Obamas, der anscheinend für seine Wiederwahl wegen der „Minderheit angeblich gut organisierter jüdischer Wähler“ fürchtet und damit den – verheerenden – Stillstand mit verantwortet bzw. es indirekt unterstützt, dass von Israel weitere Fakten geschaffen und die – menschenverachtende – Besatzungspolitik fortgesetzt wird.
Merkel hat sich ja schon ein Herz gefasst und ist Netanjahu wegen der neuerlich genehmigten Wohnungen in Ostjerusalem angegangen. Allein aus dieser, allgemein als unverfroren angesehenen, israelischen Maßnahme lässt sich doch ablesen: „Israel will weder Frieden noch einen palästinensischen Staat.“ Die gutgläubige deutsche Haltung, die Israels Vorgabe unterstützt, mittlerweile ohne Vorbehalte, sprich ohne Verlangen nach Siedlungsstopp etc. eine Verhandlungslösung anzustreben, muss als Irrweg gesehen werden. Es geht um Völkerrecht und um das ureigene Interesse auch Israels, das mit dieser Politik langfristig ins Verderben rennt. Eine diesbezügliche öffentliche Diskussion muss unbedingt angegangen werden!
VERONIKA DEHNHARD, Berlin
Effiziente Propaganda
■ betr.: „Das ungelobte Land“, taz vom 30. 9. 11
Dieser Artikel ist leider wieder ein Beleg, wie weit viele Journalisten der taz mittlerweile dem mainstreamfähigen Muster folgen. Man könnte bald Noam Chomskys Analyse der Medien benutzen, um zu zeigen, wie effizient Propaganda durch die taz verbreitet wird. Womit die Analyse von Pötter, dass Deutschland „Qualitätsmedien für die politische Hygiene“ hätte, allein schon beim wichtigsten der wenigen fortschrittlichen Beispiele scheitern würde. Ein Argument: Zum ersten Mal seit dem Beginn der Eurokrise wird in einem anderen Artikel der gleichen Zeitung erwähnt, dass eine radikale Lösung wäre, „die EZB in eine öffentlich-rechtliche Bank zu verwandeln“. Es wird mit einem einzigen Satz von Stefan Reinecke vernichtet, ohne weitere Analyse, z. B. ohne daran zu erinnern, dass allein die Inflation die gigantischen Schulden der Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg getilgt hat. Womit eine weitere Behauptung von Pötter problematisch wird, nämlich dass Deutschland über seine eigene Geschichte reflektieren würde: Sind die Hyperinflationszeiten wirklich richtig verarbeitet worden? MATHIEU JACQUOT, Saarbrücken