: „Die Ökonomie des Teilens muss wachsen“
LOBBY Berater Frédéric Benhaim über den neuen europäischen Wirtschaftsverband Ecopreneur.eu
■ 32, arbeitet als unabhängiger Berater. Er ist Vorstand von Entreprendre Vert, dem französischen Verband der Grünen Wirtschaft. Am 22. Januar hat sein Verband gemeinsam mit Österreichs Grüner Wirtschaft und UnternehmensGrün Deutschland den europäischen Verband Ecopreneur.eu gegründet.
taz: Herr Benhaim, warum brauchen grüne Unternehmen eine eigene Stimme in Brüssel?
Frédéric Benhaim: Ecopreneur.eu dient nicht nur Lobby-Zwecken, sondern jedem einzelnen der Mitglieder. Wir haben Entreprendre Vert in Frankreich 2005 gegründet und uns dabei am deutschen Vorbild UnternehmensGrün orientiert. Bis dahin hatten wir weder ein Forum für Unternehmer, die nachhaltig wirtschaften, noch für Unternehmen, die im Umweltbereich tätig sind. Also wird die Vereinigung sowohl in Europa als auch in jedem Land nützlich sein.
Was ist das Problem? Haben grüne Start-up-Unternehmen bisher zu wenig Zugang zum EU-Markt?
In der Theorie gibt es da keine Zugangsschranken für grüne oder kleine Unternehmen. Aber in der Praxis ist der gemeinsame Markt aus verschiedenen Gründen nicht für alle offen. Das liegt an den sprachlichen und kulturellen Unterschieden und vielen kleinen Differenzen. Viele junge Unternehmen würden gern in vielen Ländern der EU tätig sein, aber oft scheitert das schon beim Webauftritt. In den USA hat jedes Unternehmen auf Anhieb einen Markt von 350 Millionen Konsumenten, die alle dieselbe Sprache sprechen. Unsere Initiative wird dieses Problem nicht zur Gänze lösen, aber es wird ein Schritt sein, Mitgliedsorganisationen an der Basis zu vernetzen.
Traditionelle Wirtschaftskammern und Verbände erfüllen diese Funktion nicht?
Nicht ausreichend. In Frankreich gibt es viele Unternehmer, die sehr froh sind, wenn sie gleichgesinnte oder ähnlich orientierte Kollegen aus anderen Ländern treffen, mit denen sie diskutieren und vielleicht einmal zusammenarbeiten können.
Was sind die ersten großen Themen, die Sie angehen wollen?
Wir wollen, dass die Ökonomie des Teilens und die Konsumgemeinschaften wachsen. Die Produktionsweise „Von der Wiege zur Wiege“ – Stichwort Cradle to Cradle – soll gefördert werden. Da geht es um biologische und technische Nährstoffkreisläufe, die die richtigen Materialien zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort einsetzen. Wir wollen umweltfreundliche Verpackungen und ökologische Materialien. Am Ende geht es immer darum, die Konsumenten zu überzeugen. Nach vielen Studien und langer Erfahrung läuft alles darauf hinaus, dass man einfach ein gutes Produkt haben muss. Dann muss man nicht einmal viel Werbung machen.
Zum Beispiel?
Veja Sneakers. Verschiedene humanitäre NGOs und Nonprofitorganisationen in Brasilien erzeugen diese Turnschuhe aus Baumwolle von nachhaltig bewirtschafteten Plantagen. Aber die Jugendlichen kaufen die nicht, weil sie ein ethisches Produkt sind, sondern weil sie cool sind. Das ist eine gewisse Herausforderung für uns ältere Grüne, die dazu neigen, ein Produkt aus ökologischer oder sozialer Überzeugung zu kaufen.
Man braucht also nur Produkte, die gefallen?
Daneben muss es auch gesetzliche Regelungen geben. Anreize, die die Industrie dazu bringen, sauberere Autos herzustellen. Und dann muss das Radfahren weiter gefördert werden. Es gibt Studien, wonach jeder Euro, der in den Gebrauch des Fahrrads investiert wird, mehrfach an die Gesellschaft zurückkommt.
Radfahren ist gut für die Ökonomie?
Radfahrer beanspruchen den Straßenbelag weniger als Autos. Radfahrer leben gesünder und belasten das Gesundheitssystem weniger. Man kann weniger einkaufen. Das ist gut für die Wirtschaft, denn du kaufst jeden Tag ein, und zwar in deiner Wohngegend. In Amsterdam hat der Radverkehr die kleinen Läden gerettet, weil die Leute nicht bis zu den großen Supermärkten fahren wollen. INTERVIEW: RALF LEONHARD