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Archiv-Artikel

Brasilien vertrocknet

LATEINAMERIKA Besonders Rio und São Paulo leiden unter Wassermangel. Schuld daran sind extreme Dürre, mangelnde Vorsorge und eine verfehlte Umweltpolitik

„Die Lage ist komplex und besorgniserregend“

IZABELLA TEIXEIRA, UMWELTMINISTERIN

AUS RIO DE JANEIRO ANDREAS BEHN

„Bitte Wasser sparen!“ Umweltministerin Izabella Teixeira blieb am Freitag nichts anderes übrig, als an die Menschen im Südosten Brasiliens zu appellieren. Seit Monaten regnet es in der Region zu wenig, obwohl gerade Regenzeit ist. Im Bundesstaat São Paulo und der gleichnamigen Millionenstadt ist es die schlimmste Dürreperiode seit Jahrzehnten. „Die Lage ist komplex und besorgniserregend“, sagte Teixeira nach einer Notsitzung.

Auch in Rio de Janeiro wird befürchtet, dass es wie im Nachbarstaat zu Wasserrationierung und Engpässen bei der Energieversorgung kommen wird. Ein großes Wasserkraftwerk wurde bereits abgeschaltet, weil der Stausee nicht mehr genug Wasser hatte. Überall, auch im Bundesstaat Minas Gerais, sind die Wasserreservoirs so leer wie seit 80 Jahren nicht mehr. Inzwischen wird die Landwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen, laut Unternehmensstudien leidet auch ein Drittel der Industriebetriebe unter der Knappheit.

Auf der Suche nach einer Lösung plädieren einige für das Aufspüren unterirdischer Wasservorräte, um der Dürre mittels Brunnen lokal zu begegnen. Andere schlagen vor, mehr Wasser für die Großstädte aus den Flüssen in die Staudamm-Systeme umzuleiten. Vielversprechend ist der einfache Vorschlag, erst die Leitungen zu reparieren, durch deren Lecks auf dem Weg vom Stausee zum Wasserhahn bis zu 30 Prozent des Wassers verloren gehen. Einigkeit herrscht darüber, dass auch mangelnde Vorsorge für die Engpässe verantwortlich ist. Die rechte Opposition sieht die Schuld bei der Bundesregierung von Präsidentin Dilma Rousseff. Deren Arbeiterpartei macht hingegen die rechte Regierung im Industriestaat São Paulo verantwortlich. Es zeichnet sich ein Konflikt zwischen den Städten Rio und São Paulo ab: Sie buhlen teils um das Wasser derselben Flüsse. Inzwischen geplante Großprojekte, mit denen weitere Flüsse angezapft und neue Staubecken angelegt werden sollen, sind frühestens 2017 fertig.

Aus Sicht von Ökologen ist die verfehlte Umweltpolitik Brasiliens Ursache der Dürre. Die anhaltende Abholzung der Urwälder wie auch die stetige Ausbreitung der Exportlandwirtschaft wird auch für das immens wasserreiche Land zur Belastung. Klimaforscher Antonio Nobre sagte vergangenes Jahr in einer Studie voraus, dass ganz Südamerika sich auf veränderte Wetterbedingungen und Krisen einstellen müsse, wenn die Abholzung nicht rückgängig gemacht werde. Auch in São Paulo hat Umweltschutz keinen hohen Stellenwert. Mitten in der schweren Wasserkrise unterschrieb Gouverneur Geraldo Alckmin zu Jahresbeginn ein Gesetz, mit dem der Schutz von Quellen, Flussläufen und Wäldern vermindert wird. Damit werden die Schutzauflagen dem neuen Waldgesetz angepasst, das 2012 auf Druck der Agrarlobby stark verwässert worden ist. Für Maurício Guetta vom Instituto Socioambiental (ISA) eine völlig kontraproduktive Maßnahme: „Mittel- und langfristig wird diese Lockerung der Umweltauflagen starke Auswirkungen auf die Flüsse und damit auch auf die Wasserversorgung haben.“