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Archiv-Artikel

Großer Stimmungserfolg der Sozialisten

FRANKREICH Überraschend große Beteiligung an der Primärwahl des Präsidentschaftskandidaten. Stichwahl am Sonntag zwischen den Favoriten Hollande und Aubry. Spannendes Rennen erwartet

Die spannende Frage lautet: Wer gibt jetzt für wen eine Wahlempfehlung ab?

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Das Hauptereignis bei den ersten Primärwahlen der französischen Sozialisten am Sonntag war der Andrang der Wähler. Mit mehr als 2,5 Millionen TeilnehmerInnen übertraf er die kühnsten Hoffnungen in der Parteizentrale. Wie erwartet erreichte keiner der sechs Konkurrenten auf Anhieb eine absolute Mehrheit. Die beiden ehemaligen Parteichefs, Martine Aubry und François Hollande, werden darum am kommenden Sonntag zu einer Stichwahl antreten. Wer gewinnt, tritt im nächsten Frühjahr gegen den Amtsinhaber Nicolas Sarkozy das Rennen um die Präsidentschaft an. Und hat gute Chancen. Die rege Teilnahme an der Primärwahl wird in Frankreich bereits als Zeichen für den starken Wunsch nach einem Wechsel und als Misstrauensvotum gegen Sarkozy bewertet.

Die Ergebnisse der ersten Runde sind aber knapper ausgefallen, als dies die Umfragen vorausgesagt hatten. Zwar liegt der Favorit François Hollande mit 39 Prozent klar in Führung, doch Martine Aubry scheint mit 31 Prozent ihre Chancen bei der Stichwahl am Sonntag zu wahren. Stark schnitt der in den Medien als „Linksaußen“ charakterisierte Arnaud Montebourg ab. Mit seinem Stimmenanteil von 17 Prozent kann er als „Königsmacher“ nach Meinung der Politologen den Ausschlag geben.

Einen schweren Rückschlag musste am Sonntag Ségolène Royal einstecken. Mit bloß 7 Prozent liegt sie mit Manuel Valls (6 Prozent) und Jean-Michel Baylet in der Gruppe der Außenseiter. Bis zum Schluss war die Präsidentschaftskandidatin von 2007 überzeugt, dass sie wieder für eine Sensation sorgen könnte. Als sie dann vor ihren Fans die deprimierende Realität und das Ausmaß ihrer Niederlage anerkennen musste, konnte sie bittere Tränen der Enttäuschung nicht verbergen.

Die politischen Unterschiede zwischen den beiden Finalisten sind nicht sehr groß. Hollande gilt als eher gemäßigt, während Aubry sich in ihrer Vorwahlkampagne bereits bei den kommunistischen und grünen Bündnispartnern als Linke profilieren wollte. Als Gegenleistung für eine Wahlempfehlung dürfte Montebourg darauf pochen, dass sein Konzept einer umfassenden Reform der Institutionen sowie seine Kritik an den Banken und der Globalisierung berücksichtigt wird. Er hofft nun, dank seines überraschenden Achtungserfolgs der Präsidentschaftskampagne der Sozialisten einen zusätzlichen Linksdrall geben zu können. Der Sozialliberale Valls, der für eine Koalition mit der bürgerlichen Mitte wäre, hat bereits seine Unterstützung für Hollande bekannt gemacht.

Hinter den Kulissen wurde am Montag bereits intensiv verhandelt. So besuchte Jean-Michel Baylet, obschon er mit weniger als ein Prozent nur über ein geringes Stimmenkapital verfügt, sowohl das Hauptquartier von Hollande wie das von Aubry. In beiden Lagern werden Pläne für die Strategie vor der Stichwahl entworfen. Aubry wirbt bereits mit der Aussicht, „als erste Frau in Frankreich Präsidentin zu werden“, um zusätzliche Unterstützung, sie versprach ihren Anhängern für 2012 ein „Dream Team“. Auch Hollande glaubt an seinen Sieg, auch wenn er einräumt, sein Vorsprung werde wohl kleiner sein als erhofft. Am Mittwochabend sollen die sich beiden in einer Fernsehdebatte messen. Bei den Sozialisten und ihren Sympathisanten wächst die Befürchtung, dass bei dieser Konfrontation harte Worte fallen oder gar Gräben aufgerissen werden, die das schöne Bild der Eintracht beim ersten Durchgang der Primärwahlen bereits in Vergessenheit geraten lassen.