Der Briefschreiber

Als Professor an der Technischen Universität Clausthal forscht Harald Richter über „Echtzeitnetze im Automobil“. In seiner Freizeit engagiert sich der Informatiker für die Entwicklung des Göttinger Wohnquartiers und Wissenschaftsstandorts „Zietenterrassen“. Dass die Stadt ausgerechnet dort ein Wohnheim für Flüchtlinge errichten will, stößt Richter mächtig auf: Luft machte sich der „Prof. Dr.-Ing. Dr. rer. nat. habil.“ dieser Tage in einem Schreiben an die Mitglieder des Göttinger Sozialausschusses.

Nicht, dass Richter grundsätzlich etwas gegen Ausländer habe. Aber sollten Asylsuchende in größerer Zahl dort einquartiert werden, sei es in dem Stadtteil aus mit Wissenschaft und Forschung: Mit einem Flüchtlingswohnheim in unmittelbarer Nachbarschaft werde der in Aussicht gestellte Aufbau eines Fraunhofer-Instituts „wirtschaftlich nicht mehr darstellbar sein“, heißt es in dem Schreiben. Kein Partner werde „angesichts von in Gruppen herumstehenden Afrikanern, die nicht arbeiten dürfen, sowie verschleierten Frauen mit zahlreichen Kindern glauben, dass an diesem Standort Hochtechnologie gemacht wird“.

Gegenüber der Lokalzeitung legte Richter nach: „Hightech wächst nicht an Flüchtlingsheimen“, sagte er dem Göttinger Tageblatt. Die dort ansässigen Firmen könnten ihren Kunden nicht glaubwürdig vermitteln, „dass die Zietenterrassen ein Hightech-Standort sind“, die Entwicklung des Quartiers werde torpediert. Ein Asyl- und Flüchtlingswohnheim beende die Expansion der Wissenschaft und der Hochtechnologie und schade den bestehenden Einrichtungen.

Göttingens Sozialdezernentin Dagmar Schlapeit-Beck (SPD) wertet Richters Schreiben als „ausländerfeindlich“, die SPD-Landtagsabgeordnete Gabriele Andretta hält es für „ungeheuerlich und intolerabel“. Ob die Landesregierung die Ansicht teilt, dass Flüchtlinge in der Nähe von Hochschulen und Forschungseinrichtungen potenzielle Investoren abschrecken, will Andretta jetzt per Parlamentsanfrage heraus bekommen.  RP