: Harter Hund
ASIEN-CUP Wer hätte das gedacht? Uli Stielike reüssiert auf seine alten Tage als Trainer der südkoreanischen Fußballauswahl. Sein Team steht im Finale der Asienmeisterschaft
VERBANDSFUNKTIONÄR YOUNG-PYO LEE ÜBER STIELIKE
AUS SYDNEY OLAF JANSEN
Uli Stielike war nass wie ein Pudel. 90 Minuten Dauerregen während des Halbfinalspiels zwischen Südkorea und dem Irak hatten ihre Spuren hinterlassen. Aber Stielike war auch glücklich, ja selig sogar: „Wir haben unseren Auftrag erfüllt“, stellte der deutsche Coach nach dem Spiel zufrieden fest. Südkorea gewann mit 2:0, steht damit im Finale des Asien-Cups am Samstag (10 Uhr, Eurosport 2), trifft dort auf Gastgeber Australien. Als Favorit sieht Stielike seine Mannschaft nicht, obwohl sie den Gegner in der Vorrunde schon mit 1:0 besiegen konnte. „Nein, da haben sie ein paar ihrer wichtigsten Spieler geschont. Australien wird im Finale ein ganz anderes Team sein“, sagt er.
Stielike saß wenig später noch in seinen nassen Klamotten auf dem Podium der Pressekonferenz, doch er wollte sich eigentlich gar nicht mehr mit dem gerade erlebten Spiel befassen. Dem 60-Jährigen ging es um Grundsätzlicheres: „Wir wollen Südkoreas Fußball nach vorn bringen. Und da gibt es noch eine ganze Menge Arbeit.“
Uli Stielike gilt als Sturkopf. Im positiven Sinn. Hat er sich etwas in den Kopf gesetzt, verfolgt er sein Ziel mit außergewöhnlicher Energie. Das war schon früher so, als er noch Spieler war. Bei Real Madrid liebten sie ihn wegen seiner ausgeprägten Siegermentalität. „Er kann nicht verlieren“, hieß es dort. Als Trainer blieb ihm der ganz große Wurf versagt. Anfang der 90er Jahre Nationaltrainer in der Schweiz, dann Klubtrainer, später als Nachwuchstrainer und Co-Trainer der Nationalmannschaft beim DFB – markante Erfolge blieben aus. Das zehrt bis heute an ihm. Die größte Chance zu Großem bot sich ihm als Nationaltrainer der Elfenbeinküste. Dort musste er kurz vor dem Afrika-Cup 2008 allerdings sein Amt niederlegen. Sein Sohn Michael – erst 23 – war schwer an der Lunge erkrankt. Der Sohn starb an den Folgen der Krankheit, Stielike stellte später fest, dass ihm im Beruf „seither keiner mehr Druck machen kann“.
Stielike kehrte irgendwann auf die Bühne zurück, arbeitete ein paar Jahre als Klubtrainer in Katar. Im vergangenen September dann die große Aufgabe: Südkorea – ein paar Wochen nach dem WM-Debakel, als das Team ohne Sieg schon nach der Vorrunde nach Hause fuhr. Enttäuscht waren sie in Seoul damals, beleidigt sogar. Man sieht sich in Südkorea eigentlich als kommende Fußballmacht. Seit der erfolgreichen WM 2002 im eigenen Land war es mit dem Sport kontinuierlich aufwärtsgegangen.
So hatten es jedenfalls die Südkoreaner selbst gesehen. Uli Stielike hatte eine andere Auffassung, als er seinen Job antrat. „Ja“, sagte er, „natürlich hat das Land Fußballpotenzial. Aber mehr auch nicht. Da ist einiges zu tun.“ Keine Strukturen im Jugendfußball und in der Trainerausbildung und einen Ligabetrieb mit taktisch allenfalls zweitklassigem Niveau habe er vorgefunden, sagte er.
Aber sein Interesse war geweckt. Stielike zog noch im Oktober mit seiner Frau aus dem beschaulichen Ketsch bei Mannheim in ein Apartment in Seoul und begann mit seiner akribischen, ja sturen Arbeit: Scouting vor Ort und in Europa, Workshops mit Verbandsmitarbeitern, Trainingscamps mit lokalen Spielern, schließlich die Nominierung für den Asien-Cup. Spätestens da waren sie aufgerüttelt in Seoul. Stielike verzichtete auf einige Altbewährte, holte stattdessen einige No-Names aus der eigenen Liga. Stürmer Jeong-hyeop Lee zum Beispiel. Den 23-Jährigen fand er im November im Armee-Klub Sangju Sangmu in Seoul und machte ihn zu seinem Stürmer Nummer eins. Ein Volltreffer. Lee erzielte bislang drei Turniertore, unter anderem das 1:0 im Gruppenspiel gegen Australien und das wichtige 1:0 im Halbfinale gegen den Irak. „Er ist einer, mit dem ein Trainer gut arbeiten kann. Er hört zu, will lernen, versucht die Dinge umzusetzen“, lobt Stielike.
Bislang waren die Spieler die Fußballhelden der Nation, allen voran Leverkusens Heung-min Son, der Goalgetter. „Der kann sicher nicht einfach so in Seoul über die Straße gehen. Da käme er nicht weit“, sagt Stielike. Jetzt ist der Coach drauf und dran, seinen Spielern den Rang als Liebling der Nation abzulaufen. „Er ist ein Trainerfuchs“, sagt Young-pyo Lee bewundernd. Lee ist einer der bekanntesten Alt-Internationalen, er arbeitet mittlerweile für den Verband. „Als er kam, hat er uns gesagt, die Spieler seien auf dem Platz zu brav. Da müsse eine neue, eine härtere Mentalität her“, berichtet Lee. Stielike hat das Thema angepackt. In der Foulstatistik des Asien-Cups sieht das Resultat so aus: 83-mal haben Südkoreas Spieler selbst gefoult, 61 Tritte eingesteckt – und schon 10 Gelbe Karten kassiert. Zum Vergleich: Das ausgeschiedene Japan foulte selbst nur 62-mal.
„Die Mentalität der Jungs gefällt mir sehr gut“, sagt Stielike vorm Finale, „die Mannschaft hat sich ständig gesteigert.“ Das Endspiel gegen Australien sei ihm „gar nicht mehr so wichtig, die eigentliche Arbeit wartet nach dem Turnier. Der Fußball in Südkorea muss weiterentwickelt werden.“ Die nötige Härte scheint er seinem Team jetzt schon vermittelt zu haben.