: Promis verzweifelt gesucht
Tausche Mo Asumang gegen Kai Wiesinger mit Frau: Bei der Eröffnung des Filmfests Hamburg lagen die Fotografen vergeblich auf der Lauer. Den fünfstöckigen Schokoladenbrunnen teilten sich eher zweitrangige Gesichter, nur Gudrun Landgrebe sorgte für ein bisschen Contenance
Beim 15. Hamburger Filmfest werden in diesem Jahr noch bis zum 4. Oktober in acht Sektionen insgesamt 140 Filme gezeigt. In der Kategorie „Nordlichter“ laufen Spiel- und Dokumentarfilme aus Hamburg und Schleswig-Holstein. „eurovisuell“ zeigt die größten Publikumserfolge aus europäischen Ländern. Beim Kinderfilmfest werden Spiel- und Animationsfilme vorgeführt. Mit David Cronenberg steht der Douglas-Sirk-Preisträger 2007 bereits fest. Des weiteren wird unter anderem ein Jury- sowie ein Publikumspreis vergeben. Die Filme werden in den Kinos 3001, Abaton, Cinemaxx, Levantehaus, Metropolis sowie im Grindel vorgeführt. BEG Mehr Infos: www.filmfest-hamburg.de
VON JESSICA RICCÒ
Worauf kommt es bei einem Filmfest an? Nischenförderung wie beim unabhängigen Festival in Osnabrück? Dicke Prominenz wie in München? Oder schlichte Liebe zum Film wie jährlich in Braunschweig? Hamburg ist da eher unentschlossen. Die meisten Filme sind irgendwo bereits gelaufen und mit spannenden Sparten wie „Belgien Deluxe“ und „TV Spielfilme im Kino“ kann man zwar sicher ein paar Nachmittage im Kino verbringen. Besonders glamourös ist das aber nicht.
Bleibt die Hoffnung auf Promis. Für die haben die Sponsoren sich ordentlich ins Zeug gelegt und am Donnerstagabend eine halbe Etage des Alsterhauses zur Eröffnung des Filmfests freigeräumt. Die Fotografen mit ihren gezückten Kameras sind doch etwas enttäuscht. Es ist fast elf und noch immer keine Prominenz in Sicht. Heike Makatsch, Schirmherrin des Kinderfilmfests, hatte man erwartet. Oder den oscarverdächtigen Fatih Akin, der muss doch irgendwo sein. Stattdessen: Hellmuth Karasek und ein vorerst namenloser blonder Magnet. Immerhin trägt letzterer nichts außer einem Hauch weißen Satin, also wird losgeknipst. Nachdem die Hübsche zum zwanzigsten Mal demonstriert wie gut sie „Schulterblick!“ kann, fragt ein Fotograf dann doch mal den Kollegen, wer das überhaupt sei. „Marlene Irgendwas, die spielt bei den Rettungsfliegern mit. Ganz bekloppte Serie.“ Marlene ist in Hörweite, ignoriert den Seitenhieb und bemüht sich weiterhin um unnatürliche, sexy Haltung und den Blick mit den leicht zusammengekniffenen Augen.
Dann aber kommt Konkurrenz, mit der sie nicht rechnen konnte: Kim Frank, der Exsänger der glücklich verschiedenen Band Echt, schleppt sich als menschgewordenes Paradox der Hässlichkeit über den roten Teppich. Er ist wie eine üble Verletzung, man kann nicht wegsehen. Der Blick glasig bis bemüht-wach, sein Mantel lässt ihn eher obdachlos wirken. Oh je. So schnell wie er auftaucht, taucht Kim Frank aber wieder ab beziehungsweise bei anschließender Party nicht wieder auf. Vielleicht war jenes Teppichgetorkel also nur gut inszeniert und dem Jungen geht es gut.
Auf die Bestechung der Schönen und Reichen kommt es Filmfest-Chef Albert Wiederspiel nach eigenen Angaben nicht an. Also müssen die Damen und Herren Fotografen sich mit dem begnügen, was freiwillig gekommen ist. Es wird ein Gezanke ums beste Motiv, als ginge es um ein Stickeralbum. „Hast du schon Mo Asumang?“ „Ja, schon zwei Mal.“ „Dafür hab ich Kai Wiesinger – mit Frau!!“ Etwas Nützliches lässt sich aus den Gesprächen der mehr oder weniger Fachleute dennoch aufschnappen: „Control“, der Film über Ian Curtis und seine Band Joy Division, zählt als Geheimtipp. Den gilt es zu gucken. Mit Glück kriegt man dann ja auch Alexandra Maria Lara vor die Kamera.
Um am Monatsende glücklich auf den Kontostand zu schielen, fehlt es den Hamburger Fotografen eindeutig an Stars, an den Leuten, die es gar nicht nötig haben, sich zwanzig Minuten vor den Kameras zu räkeln. Schauspielerin Nina Petri kämpft für ein paar Bilder gegen ihre Haare, sieht dann aber ein, dass sie gegen diesen Wind nur verlieren kann und verzieht sich ins Warme. Moderator Tobias Schlegl macht gleich einen großen Bogen um die Fotografen, zielstrebig zum kalten Buffet. Nur Gudrun Landgrebe schafft es doch noch, ein wenig Contenance in den sonst so lahmen Abend zu bringen, mit diesem Blick, der gleichzeitig bescheiden und ein bisschen arrogant ist, das ist wahre Schauspielkunst.
Die Landgrebe, Eric-Emmanuel Schmitt, Kim Frank. Damit sollte doch jeder zufrieden gestellt sein. Ein freier Fotograf will dennoch nicht aufgeben auf der Suche nach dem begehrtesten Bild. „Ey, du bist doch von der taz. Wo ist denn jetzt Fatih Akin?“ Bedaure, ich habe keinen blassen Schimmer.
Folglich lassen tags drauf die überregionalen Medien das Hamburger Filmfest links liegen. Hier gab es zwar ein tolles Buffet mit Schokoladenbrunnen, in Berlin zeigte sich dafür Kim Basinger beim Life Dreamball der DKMS. Michael Jackson gab seinem Babysitter das Ja-Wort und Mick Jagger wünscht Amy Winehouse, sie möge sich selbst überleben. Das ist schwer zu toppen, aber mal ehrlich, das findet in einer anderen Welt statt. Dann lieber gepflegt einen TV Spielfilm schauen – jetzt auch im Kino.