: Der lange Weg zum Volksentscheid
Wer im Land was entscheiden will, braucht erst eine Lizenz zum Begehren. Die Tempelhof-Initiative wird von den Abstimmungserleichterungen, die der Senat verhandelt, nicht mehr profitieren. Warum? Siehe Gebrauchsanweisung
Der Weg, auf dem Berliner Bürger direkten Einfluss auf politische Entscheidungen, Gesetzes- und Verfassungsänderungen auf Landesebene nehmen können, ist lang, und er führt über mehrere Stufen. Grundsätzlich kann das Volk aber alles erreichen, was seinen Vertretern im Abgeordnetenhaus auch möglich ist.
In einem ersten Schritt muss eine Einzelperson, eine Gruppe oder eine Partei bei der Senatsinnenverwaltung einen Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens stellen. Begehren, die den Haushalt des Landes, die Bezüge und Personalien der Bediensteten sowie Abgaben und Tarife öffentlicher Unternehmen betreffen, sind allerdings unzulässig. Der Antrag muss von mindestens 20.000 (bei Verfassungsänderung 50.000) volljährigen Bürgerinnen und Bürgern unterstützt werden – per Unterschrift, die nicht älter als sechs Monate sein darf. Werden diese Voraussetzungen erfüllt, entscheidet erst die Innenverwaltung, dann der Senat über die Zulässigkeit des Volksbegehrens.
Der zweite Schritt ist das Volksbegehren selbst. In Berlin war noch kein einziges von bislang neun erfolgreich. Damit es zustande kommt, haben die Initiatoren vier Monate Zeit, die Unterschriften von 7 Prozent (bei Verfassungsänderung 20 Prozent) der Wahlberechtigten zum Abgeordnetenhaus zu sammeln, also zirka 170.000. Derzeit müssen die Stimmen noch in Wahlämtern abgegeben werden. Der Rechtsausschuss befasst sich aber mit dem Vorschlag, dass die Unterschriften auch an anderen Orten eingesammelt werden dürfen. Laut Innenverwaltung könnte dies am 18. Oktober vom Parlament beschlossen werden – drei Tage nach dem Start des Volksbegehrens über die Erhaltung des Flughafens Tempelhof, der von der möglichen Vereinfachung also nicht mehr profitieren würde.
Wenn die für das Verfahren erforderliche Stimmenzahl offiziell festgestellt wurde, kommt es schließlich zum Volksentscheid – es sei denn, das Parlament hat die geforderte Gesetzesänderung bereits realisiert. Wenn nicht, muss mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten (bei Verfassungsänderung die Hälfte) und die Mehrheit derer, die zur Abstimmung gekommen sind, zustimmen.
Das Volksbegehren zu Tempelhof und das zum Religionsunterricht unterscheiden sich darin, dass „ProReli“ eine konkrete Gesetzesänderung erreichen möchte. Die Icat e. V. dagegen kann, wenn sie erfolgreich ist, nur das Parlament dazu zwingen, dem Senat die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs zu empfehlen, da sie auf eine politische Entscheidung zielt. Ein möglicher Volksentscheid zugunsten des Flughafens wäre also rechtlich unerheblich, politisch jedoch stünde der Senat unter erheblichem Druck. SBE