: Flüchtlinge dürfen in Moabit bleiben
ASYL Nachdem der Umzug in das Köpenicker Containerdorf geplatzt ist, sind 150 Flüchtlinge aus der Levetzowstraße erleichtert
GEORG CLASSEN VOM FLÜCHTLINGSRAT
VON FANNY LÜSKOW
Die umstrittene Notunterkunft in der Moabiter Levetzowstraße wird vorerst doch nicht geschlossen. Noch am Freitagnachmittag hatte Silvia Kostner, Sprecherin des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso), gegenüber der taz erklärt, dass am heutigen Montag rund 150 Flüchtlinge in das neue Containerdorf in der Alfred-Randt-Straße in Köpenick gebracht würden.
Bei einem Gespräch des Bezirksbürgermeisters Christian Hanke (SPD) mit der Leitung des Wohnheimbetreibers Gierso am Freitagabend warnte Hanke jedoch vor übereilten Handlungen. Er wolle sich für die Unterbringung der Flüchtlinge aus der Levetzowstraße in Moabit oder Wedding einsetzen, so der Bezirksbürgermeister. Welchen Standort er in Betracht ziehe, sagte er aber nicht. Trotzdem nahm der Wohnheimbetreiber Gierso die Aussage Hankes zum Anlass, den Auftrag an das Bus- und Umzugsunternehmen, das die Flüchtlinge nach Köpenick bringen sollte, noch am Freitag zu stornieren. Die Heimleitung warte nun auf weitere Aussagen von Bezirkspolitikern und dem Lageso, so Suada Dolovac, Pressesprecherin des Wohnheims der Betreiberfirma Gierso.
Die Flüchtlinge sind erleichtert. Von heute auf morgen sollten sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden. Dabei sind sie im Bezirk sozial angebunden und mit UnterstützerInnen vernetzt; ihre Kinder gehen in Schulen und Kindergärten. „Wir haben hier nie Probleme gehabt“, erzählt eine serbische Frau, die mit ihrem Mann, ihren vier Kindern und ihrer Mutter seit fünf Monaten in der Levetzowstraße in einem Klassenzimmer der ehemaligen Heinrich-von-Kleist-Oberschule wohnt. Als sie von dem Umzug erfahren habe, seien sie und ihre Familie verunsichert gewesen.
Viele fürchten sich zudem vor Köpenick, weil sie von den Anti-Heim- und Anti-Flüchtlings-Protesten gehört haben. „Dabei sind wir doch gerade wegen der Nazis aus Serbien geflohen“, berichtet die serbische Frau weiter. Nach kurzfristigem Bekanntwerden des geplanten Umzugs war es am Donnerstag unter den BewohnerInnen zu Tumulten und spontanen Protesten in und vor der Unterkunft gekommen, sodass der Umzug von Freitag auf Montagmorgen verschoben wurde.
Das im Februar 2013 als temporäre Notunterkunft übernommene Schulgebäude in der Levetzowstraße stand schon seit Längerem wegen baulicher Mängel und unzumutbarer hygienischer Bedingungen in der Kritik. Man hatte deshalb einen Aufnahmestopp veranlasst. Die lokale Initiative „Neue Nachbarschaft Moabit“ forderte eine umfangreiche Sanierung des Gebäudes und einen Betreiberwechsel.
Georg Classen vom Flüchtlingsrat sieht das Problem nicht im Gebäude an sich: „Bausubstanz und Lage der ehemaligen Schule sind nicht schlecht. Wenn man investieren würde, wenn Apartments und vernünftige sanitäre Anlagen eingerichtet würden und man einen gemeinnützigen Träger fände, könnten die Flüchtlinge dort gut leben.“
Doch laut Aussage von Lageso-Sprecherin Kostner soll der Standort Levetzowstraße nach Auszug der Flüchtlinge komplett aufgegeben werden. Wie der dann leer stehende Gebäudekomplex anschließend genutzt werde, ist ungewiss.
Die Entscheidung des Lageso, die Flüchtlinge aus der Levetzowstraße auszuquartieren, bleibt für Suada Dolovac fragwürdig: „Warum sollen Menschen, die sich gerade mühsam eingelebt haben, aus einer festen Unterkunft geworfen werden, obwohl viele Flüchtlinge noch in Sport- und Traglufthallen leben?“ Gemeinsam mit der Heimleitung plädiert sie für eine Unterkunft im Weddinger Kapweg. Dann müssten die Flüchtlinge nicht ihr gewohntes soziales Umfeld aufgeben. Ob Hankes Bemühungen, eine neue Unterkunft für die Flüchtlinge zu besorgen, erfolgreich sein werden, wird sich zeigen. Strittig bleibt aber die Frage, warum nicht ein umfassender Umbau des Gebäudes erfolgt.