Hartleibiges Niedersachsen

Härtefall-Kommission billigt im ersten Jahr nur fünf Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht zu. Zu scharfe Ausschlusskriterien und Verfahrensregeln seien dafür verantwortlich, kritisiert der Flüchtlingsrat

VON REIMAR PAUL

Die Bilanz der niedersächsischen Härtefall-Kommission fällt zumindest aus der Sicht des Landes-Flüchtlingsrates trübe aus. Ein Jahr nach seiner Installierung habe das Gremium nur über neun Anträge von Flüchtlingen entschieden, berichtete gestern der Vorsitzende des Rates, Norbert Grehl-Schmitt. Lediglich in fünf Fällen sei Flüchtlingen eine besondere Härte ihrer Lage zugestanden worden und folglich ein Aufenthaltstitel.

Als vorletztes Bundesland vor Bayern und nach langem Zögern hatte Niedersachsen im September 2006 die Kommission eingerichtet. Das Gremium soll ausreisepflichtigen Asylbewerbern zu einem Bleiberecht verhelfen, wenn humanitäre oder persönliche Gründe vorliegen. Nicht stimmberechtigter Vorsitzender der neunköpfigen Kommission ist der CDU-Politiker und Vertraute von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Frank Frühling. Die weiteren acht Mitglieder sind von Kommunen und Landkreisen, den Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmern vorgeschlagen worden.

Grehl-Schmitt bescheinigt zwar den meisten Mitgliedern der Kommission, sie hätten sich redlich um Gerechtigkeit bemüht. Doch die Regeln für die Arbeit der Härtefallkommission seien so restriktiv gefasst, dass kaum ein Flüchtling Chancen habe, als Härtefall anerkannt zu werden: „Im Ergebnis erweist sich die Härtefallkommission als ein wenig wirksames Korrektiv für eine Politik der Härte gegenüber Flüchtlingen in Niedersachsen“, bilanziert der Flüchtlingsrat.

Einen Grund für die geringe Zahl der geprüften und positiv beschiedenen Anträge sehen Flüchtlingsberater in der Tatsache, dass von den acht Mitgliedern der Härtefallkommission sechs zustimmen müssen. „Keine andere Härtefallkommission im Bundesgebiet sieht eine derart hohe Zustimmungsquote vor“, sagte Grehl-Schmitt.

Ein weiteres Problem ist nach Ansicht des Flüchtlingsrates der lange Weg vom ersten Kontakt zu einem Kommissionsmitglied bis zur offiziellen Eingabe in die Kommission. Zuweilen vergehe dabei so viel Zeit, dass die Ausländerbehörde bereits die Abschiebung eingeleitet habe.

Die Hauptursachen für die geringen Anerkennungszahlen, so Grehl-Schmitt, seien „rigorose Ausschlusskriterien, die dazu führen, dass die Anträge von vielen Flüchtlingen von vornherein nicht zugelassen werden“. Zum Beispiel Vorstrafen: Ein seit 22 Jahren in Deutschland lebender Flüchtling, der fachkundig und unter Einhaltung der Tierschutzbestimmungen Schafe geschlachtet hatte, erhielt einen Strafbefehl über 100 Tagessätze à 20 Euro, weil er keinen Veterinär hinzugezogen hatte.

Diese Strafe verhinderte eine Anerkennung als Härtefall: Ein Antrag wird nämlich gar nicht angenommen, wenn eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen vorliegt. Wer die eigene Abschiebung nicht aktiv betrieben und sich nicht rechtzeitig um Ausreisedokumente bemüht hat, wird in der Regel ebenfalls ausgeschlossen.

Das Innenministerium in Hannover begründet die geringe Zahl der Härtefälle vor allem mit dem „Erfolg“ der allgemeinen Bleiberechtsregelung. Tatsächlich führt gerade in Niedersachsen auch dieser Weg nur selten zum Erfolg: Am 30. Juni hatten von den 20.176 geduldeten Personen in Niedersachsen 6.048 einen Antrag nach der Bleiberechtsregelung gestellt, aber nur 1.599 erhielten eine Aufenthaltserlaubnis. Ein großer Teil der langjährig geduldeten Flüchtlinge scheitert an denselben Ausschlussgründen, wie sie für die Härtefall-Verordnung gelten.

„Damit die Härtefallkommission ihrer Aufgabe gerecht werden kann, muss sie in die Lage versetzt werden, effektiv und zeitnah über Anträge entscheiden zu können“, sagt Grehl-Schmitt. Der Flüchtlingsrat fordert daher alle formalen Ausschlussgründe zu streichen. Außerdem solle das Gremium mit einfacher Mehrheit beschließen können, sich mit Härtefallanträgen zu befassen.