: Wenn der Black-out kommt
ENERGIE Den Stromausfall bei Günther Jauch am Sonntagabend verfolgte ein Millionenpublikum. Dabei treten solche Probleme in Berlin eher selten auf. Ein tagelanger Stromstopp aber würde die Stadt ins Chaos führen
■ New York: Am 13. Juli 1977 fällt nach einem Blitzschlag der Strom aus. Geschäfte werden geplündert.
■ Kalifornien: Um die Strompreise in den Jahren 2000 und 2001 in die Höhe zu treiben, verringert der Stromhändler Enron gezielt die Erzeugungskapazitäten. Es kommt mehrfach zu stundenlangen Stromausfällen.
■ Münsterland: Am 25. November 2005 knicken die Masten der einzigen Stromleitung nach Ochtrup unter der Schneelast zusammen. Die 19.000 Einwohner sind fünf Tage lang ohne Strom.
■ Europa: Am 4. November 2006 schaltet Eon eine Hochspannungsleitung über die Ems ab, damit ein Schiff passieren kann. Das europäische Netz teilt sich, Regionen in Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien und Italien sind bis zu zwei Stunden ohne Strom. (hei)
VON SEBASTIAN HEISER
4,94 Millionen Menschen waren am Sonntagabend von einem Stromausfall in Schöneberg betroffen. So viele Zuschauer wollten den ARD-Talk mit Günther Jauch zur neuen griechischen Linksregierung in der ARD sehen. Doch auf dem Bildschirm liefen Ausschnitte aus alten Jauch-Sendungen – und ein Laufband: „Wegen eines Stromausfalls in Teilen von Berlin kann Günther Jauch derzeit nicht live senden.“
Das klang reißerischer, als es war: Nur in einem sehr kleinen Teil von Berlin wurde es dunkel – nämlich in 1.280 Haushalten rund um das markante Gasometer, in dem die Jauch-Sendung produziert wird. Grund war ein Fehler im Umspannwerk. Eine Notstromversorgung hat Jauch nur zur Beleuchtung der Fluchtwege. Und so kam ein kleiner Stromausfall ganz groß raus – und lenkte die Aufmerksamkeit einer Millionen-Öffentlichkeit auf ein Phänomen, das selten geworden ist in Deutschland. Und noch seltener in Berlin. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zum Super-GAU kommt: Einem Stromausfall über mehrere Tage. Auch das Abgeordnetenhaus beschäftigte sich im vergangenen Jahr mit diesem Szenario.
Im bundesweiten Durchschnitt ist jeder Haushalt knapp über 15 Minuten von Stromausfall betroffen – pro Jahr. In Berlin sind es nach Angaben von Vattenfall sogar nur 12 Minuten pro Jahr. Der Wert ist auch deshalb so niedrig, weil Fehler in einem engmaschigen und hauptsächlich unterirdisch liegenden Stadtnetz seltener auftreten als auf dem Land. Fällt zudem auf dem Land der Strom aus, bekommen es weniger Leute mit, weil dort keine TV-Talkshows produziert werden.
Auch im internationalen Vergleich steht Berlin sehr gut da. In Österreich und den Niederlanden fällt der Strom länger als eine halbe Stunde pro Jahr aus, in Großbritannien und Frankreich sind es mehr als eine Stunde und in den USA sogar mehrere Stunden.
Verheerend wäre ein Stromausfall über mehrere Tage. Denn der Diesel in den Notstromaggregaten reicht nicht so lange. „Generell kann davon ausgegangen werden, dass die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben in Berlin rund 24 Stunden über Notstromanlagen funktionsfähig bleiben können“, erläuterte der Staatssekretär für Inneres, Bernd Krömer (CDU), im vergangenen Jahr bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus. „Das ist die Frist, binnen der wir im Normalfall davon ausgehen können, dass das Stromnetz in Teilen zumindest wieder zur Verfügung stehen würde.“
Tankstellen nicht autark
Sollte der Strom dann noch nicht wieder da sein, muss Diesel nachgetankt werden. Ohne Strom funktionieren allerdings die Tankstellen nicht. Und man kann nicht einfach eine Tankstellen mit einem Notstromdiesel betreiben – dazu braucht es einen Anschluss, an dem man so ein Gerät anstecken könnte. Und damit sind lediglich drei Tankstellen in Berlin ausgerüstet.
Wenn in der ganzen Stadt der Strom ausfällt, gibt es aber noch ein paar andere Probleme: In mehreren hundert Aufzügen stecken gleichzeitig Menschen fest. Das Mobilfunknetz und das Festnetz fallen aus. U-Bahnen fahren nicht mehr. Geldautomaten funktionieren nicht. Kühlschränke fallen aus.
Das größte Problem wäre aber ein Stromausfall im Winter. Denn ohne Strom fallen alle Heizungen aus – auch Öl- und Gasheizungen funktionieren nur mit elektrischem Zündfunken und elektrischer Pumpe. Spätestens nach einem Tag wäre es in allen Häusern so kalt wie draußen. Einen Notfallplan, wie man 3,4 Millionen Menschen in beheizten Notunterkünften unterzubringen soll, gibt es nicht. Es macht auch keinen Sinn, solche Unterkünfte für den Notfall zu bauen. Es ist einfach viel billiger, die Stromversorgung so zu sichern, dass es gar nicht erst zu einem tagelangen Stromausfall kommen kann.
Die Talkrunde mit Jauch konnte am Sonntagabend übrigens mit nur 20 Minuten Verspätung dann doch noch starten. Das wollten aber nur noch 4,15 Menschen sehen – 800.000 weniger als ohne Stromausfall.