: Austen in Love
„Geliebte Jane“ von Julian Jarrold macht aus Jane Austen eine romantische Heldin
Das junge Mädchen hat sich so schön zurechtgemacht, wie es der Tochter einer großen Familie in der englischen Provinz nur möglich ist, und sie fühlt sich wohl auf dem Ball, der auf einem Landgut in der Nachbarschaft gegeben wird. Doch dann belauscht sie zufällig ein Gespräch, in dem sich ausgerechnet der junge Gentleman aus London, auf den sie ein Auge geworfen hat, äußerst abfällig über sie, ihre ländlich rückständigen Manieren und ihren niederen Stand mokiert. All jene, die die Romane von Jane Austen schätzen, werden hier sofort eine der Schlüsselszenen aus „Stolz und Vorurteil“ erkannt haben, in der Elisabeth Bennet und Darcy zum ersten Mal aufeinander treffen. In „Becoming Jane“ (so der wie gewohnt viel prägnantere Originaltitel) ist diese Sequenz bis in die Details hinein aus der Vorlage übernommen, nur hier ist Jane Austen selber die junge Frau und der sehr stolze Herr ist der junge irische Anwalt Tom Lefroy, den die reale Jane Austen in einigen Briefen erwähnt hat. Diese Andeutungen sind die einzigen Indizien für eine Romanze im Leben der Schriftstellerin, das eher eintönig und keusch gewesen sein muss. Sie heiratete nie, lebte mit ihren Verwandten in beengten Verhältnissen und schrieb ihre Romane in der alles andere als ruhigen Atmosphäre des gemeinsamen Wohnzimmers, wie es Virginia Woolf in ihrem berühmten Text „A Room of One‘s Own“ beschrieb. Über solch ein Künstlerleben hätte man durchaus auch einen Film drehen können, aber der wäre bestimmt nicht so unterhaltsam wie dieser geworden.
So bedienen sich Drehbuchautor Kevin Hood und Regisseur Julian Jarrold recht verwegen bei der Biografie und den Romanen der britischen Schriftstellerin, deren Ruhm fast an den von William Shakespeare heranreicht. In dieser Richtung findet sich auch das offensichtliche Vorbild für „Geliebte Jane“ , denn in „Shakespeare in Love“ wurde nach genau der gleichen Methode der noch junge Barde in eine tragische Liebesgeschichte gestopft, die ihn dann dazu inspirierte, „Romeo und Julia“ zu schreiben. Und so wie Joseph Fiennes dem einzigen zweifelsfrei authentischen Portrait von Shakespeare überhaupt nicht ähnlich sieht, so ist auch Anne Hathaway viel zu schön für die Rolle der Jane Austen, die auf dem von ihrer Schwester gemalten Portrait eher wie eine hagere alte Jungfer aussieht. Nun ist die These, dass Autoren all das auch erlebt haben müssen, worüber sie schreiben, ja recht schlicht. Aber wenn man respektlos mit ihr herumspielt, können dabei sehr schöne Drehbücher entstehen, bei denen sich die Autoren jeweils reichlich bei den Werken ihrer Protagonisten bedienen. So hat Julian Jarrold den Ton und die Stimmung von Austen hier besser getroffen als Joe Wright vor zwei Jahren in seiner Adaption von „Pride & Prejudice“ , der die Ironie der Autorin völlig abging.
Auch wenn Jane Austin wohl kaum solch eine stürmisch romantische Natur hatte, wie in dem Film behauptet, bietet er doch einige historiserzählt vonch interessante Einsichten in die Verhältnisse, unter denen im 19. Jahrhundert Literatur entstand. In London trifft die Jane Austen des Films Ann Radcliffe, die Erfinderin des britischen Schauerromans und eine der wenigen Autorin jener Zeit, die von ihrer Arbeit leben konnte. Von ihr bekommt sie eine kurze und desillusionierende Lektion darüber, wie schwer es für sie wäre, sich als Schriftstellerin zu behaupten. Jane Austen als Heldin in einem Film, dessen Vorlage von Jane Austen hätte geschrieben werden können. Diese Idee verspricht intelligente Unterhaltung, und genau die bietet dieser Film. Wilfried Hippen