Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Etwas hilflos stehe ich inmitten 1.000 Jahren polnisch-deutscher Geschichte im Martin Gropius Bau und entscheide mich spontan, meine Strategie zu ändern. Nachdem ich die lückenhaften Infos auf den Ausstellungstafeln nicht mit den Exponaten, Kunstwerken, Plänen, Urkunden und dem prächtigen Geschmeide zusammenbringen kann, lasse ich die Texte links liegen und konzentriere mich auf die Wucht von 800 Artefakten. Eine Strategie, die die Kuratorin Anda Rottenberg so wohl auch beabsichtigt hat. Allein, die eng miteinander verwobene Historie gerät ins Hintertreffen. Ich schalte meinen Scannerblick ein und husche durch die 19 Räume. Selbstverständlich werde ich fündig. Nach all dem irren Pomp verharre ich letztendlich am längsten vor einem etwa 20 x 30 cm kleinen Gemälde der Anny Bilińska -Bohdanowicz, die im Winter 1890 den Boulevard „Unter den Linden“ malte. Die Marienkirche im Hintergrund, erschöpft sich der Blick entlang der herrschaftlichen Bauten in einer Grau in Grau fotorealistischen Suppe, bis er im Nebel (der Zeit) zu versinken scheint.

Die polnische EU-Ratspräsidentschaft bringt uns aber noch weitere Einblicke. Am Donnerstag wird etwa „Polish! Zeitgenössische Kunst aus Polen“ im Künstlerhaus Bethanien eröffnet. Neben Biennale-Kurator Artur Źmijewski, Slawomir Elsner oder Piotr Uklański beschäftigen sich auch weniger bekannte KünstlerInnen wie Hubert Czerepok oder Paweł Ksiaźek mit religiösen wie nationalen Identitäten sowie traumatischen Identitätsverleugnungen in Transformationsprozessen in und außerhalb Europas. Am Tag darauf wird die gleichnamige Publikation, herausgegeben von der ŹAK BRANICKA Foundation, mit Beiträgen von 29 Autoren und Autorinnen zum Werk von 37 polnischen Künstlern und Künstlerinnen von besagter Kuratorin Anda Rottenberg vorgestellt.

■ Tür an Tür Polen–Deutschland. 1.000 Jahre Kunst und Geschichte; bis 23. 9. Januar, Mi.–Mo. 10–20 Uhr, Martin Gropius Bau, Niederkirchnerstr. 7

■ Polish!; Eröffnung: 20.10., 19 Uhr; Buchpräsentation: 21. 10., 19 Uhr; Di.–So., 14–19 Uhr, Künstlerhaus Bethanien, Kottbusser Straße 10