YOANI SÁNCHEZ POLITIK VON UNTEN : Eine Lehrerin als Staatsfeind
Laura Pollán war jahrelang die Wortführerin der kubanischen „Damas de Blanco“. Jetzt ist sie gestorben
Noch vor acht Jahren war Laura Pollán eine normale Lehrerin, die mit ihrem Mann Héctor Maseda zusammenlebte, dem Chef der verbotenen Liberalen Partei Kubas. Trotz der Schrecken, die es mit sich bringt, in einem Land zu wohnen, das politische Vereinigungen unter Strafe stellt, versuchte die Familie in ihrem kleinen Haus in der Calle Neptuno ein ganz normales Leben zu führen. Aber eines Morgens kündigten heftige Schläge an die Tür an, dass sich alles unwiderruflich ändern würde.
Maseda wurde wegen Vergehen gegen die nationale Sicherheit zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Sein Delikt: Ein anderes Kuba zu denken, politisch zu opponieren und seine Meinung aufzuschreiben. Insgesamt 75 Oppositionelle wurden in jenem traurigen März 2003 verurteilt, der als „schwarzer Frühling“ in die Geschichte des Landes eingegangen ist.
Die kubanische Regierung ging davon aus, dass die Frauen dieser eingesperrten Dissidenten weinend zu Hause bleiben würden, während ihre Männer ihre langen Haftstrafen in weit entfernten Gefängnissen absaßen. Doch dieses politische Kalkül ging nicht auf.
Stattdessen entstanden die Damas de Blanco, eine Gruppe von Frauen, die friedlich die Freilassung aller politischen Gefangenen forderten. Sie demonstrierten stets in weißer Kleidung und mit einer Gladiole in der Hand. Laura Pollán wurde zur Sprecherin und Anführerin dieser Gruppe, die auf der Insel auf viel Sympathie in der Bevölkerung stieß.
Doch wie keine andere Gruppierung wurden die Damas de Blanco in den kubanischen Medien verunglimpft. Es gab sogar organisierte Demonstrationen vor der Haustür von Laura Pollán.
Mit starken Gelenkschmerzen und Atemnot wurde Laura Pollán vor wenigen Wochen in eines der schlecht ausgestatteten öffentlichen Krankenhäuser von Havanna eingeliefert. Es gab das Angebot, sie in eine luxuriöse Militärklinik zu überführen, doch sie hatte, bevor sie das Bewusstsein verlor, gesagt: „Ich bleibe im Krankenhaus des Volkes.“ Erst nach fünf Tagen diagnostizierten die Ärzte ihr Dengue-Fieber. Am Freitag vergangener Woche starb Laura Pollán.
In allen Zeitungen der Welt wurde über den Tod dieser zivilgesellschaftlichen Anführerin berichtet – nur unsere jämmerlichen kubanischen Zeitungen schwiegen. Diese Stummheit kann an der fehlenden Größe einer Regierung liegen, die es nicht schafft, angesichts des Todes einer Gegnerin Beileid auszudrücken und die Feindschaft zugunsten der Kondolenz abzulegen. Aber dieses Schweigen rührt auch von der Angst, die sie vor dieser kleinen Spanischlehrerin hatten. Die Anführerin der Damas de Blanco ist tot – und niemand kann je wieder eine Gladiole in der Hand halten, ohne an Laura Pollán zu denken.
■ Die Autorin lebt als unabhängige Bloggerin in Havanna Foto: dpa