LESERINNENBRIEFE
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Seriös ist anders

■ betr.: „Ein bisschen Leben“, sonntaz vom 15. 10. 11

Ich bin einigermaßen erstaunt über den Stil des Artikels über die Versorgung von Frühgeborenen. Seriös ist anders!

Ständig wird vermischt: Allgemeines zum Thema mit einem Einzelschicksal. „Mit seiner ruhigen Stimme und den Segelohren wirkt der Mediziner wie ein Duzonkel … Kösters wirkt wie eine Art Horst Seehofer mit münsterländischem Zungenschlag.“

Dann die verzweifelte Geschichte der Mutter (Wo bleibt eigentlich mal die Erwähnung des Vaters?), die dann die Rettung findet, am Abend vor der Heli-Verlegung erst einmal drei Gläser Sekt trinkt und deren „schwarzweiße Sneakers … kaum den Boden“ berühren. Hinter dem verwirrenden Stil von berührender Beschreibung der stark adipösen (Zusammenhang mit der Frühgeburt?) Mutter und ihren Sorgen und den Bestrebungen verschiedener Interessengruppen dürfte der fachlich unbedarfte Leser kaum die eigentliche Problematik verstehen.

Es wird auch zu keinem Zeitpunkt über die immensen Geldmengen gesprochen, die eine solche Versorgung kostet, Geld, das in Zeiten knapper Kassen nicht unumstritten in die Versorgung kaum lebensfähiger Frühgeborener fließen muss. In diesem Artikel habe ich die taz nicht wiedererkannt bei einem Stil zwischen Boulevard und Spiegel. Schade!

HARALD TEGTMEYER-METZDORF, Kinder- und Jugendarzt, Wasserburg

Sack Reis

■ betr.: „Schwere Gefechte in Kurdistan“, taz vom 20. 10. 11

Sicherlich ist es richtig, wenn Ihr mit Nachrichten der Kriegsberichterstattungsagenturen dpa und rtr auch Eure Ausgaben füllt. Aber muss denn nahezu jede dieser Nachrichten eine entsprechende Meinungsäußerung von Westerwelle oder Merkel, was diese im Moment dazu empfinden, enthalten? Das interessiert doch nur noch den berühmten Sack Reis in China, der gerade umfällt. RUDOLPH LAUER, Lünen

Pfand befürworten

■ betr.: „Umwelthilfe will Pfand für Pappe“, taz vom 18. 10. 11

Ich sehe die Tetra-Pak-Werbung als reine Volksverdummung. Die Anzahl der Stationen, die die Papier/Alu/Plastikverpackung sortenrein trennen können, ist ziemlich klein gegenüber der anfallenden Menge. Der WDR hat mehrfach über diese Anlagen berichtet. Ich würde Pfand befürworten.

Welche Menge an Weichmachern geht von der Verpackung z. B. in Milch über? JESSICA SCHMITZ, Krefeld

Kleist konnte nicht mehr

■ betr.: „An der eigenen Hand aus der Tiefe emporgezogen“, taz vom 21. 10. 11

Kleist hat sich getötet, weil er’s nicht mehr ausgehalten hat. Aktive Verdrängung ist eine Quadratur des Kreises und würde vom Traumatisierten auch noch eine „heroische Tat“ abverlangen. Kleist selbst ist an diesem Anspruch offensichtlich gescheitert. Gerade das therapeutische Offenlegen ermöglicht, mit sich selbst Erbarmen zu haben, was einem Traumatisierten äußerst schwer fällt. Und vor allem: die gesellschaftliche Dimension von Missbrauch, Kriegsfolgen würde dabei ausgeblendet. Natürlich lagert unter der Verletzung eine unglaubliche Energie, die, positiv genutzt, einen kraftvollen Mensch ausmachen könnte, wenn er’s denn verstünde, die Energie so zu nützen. Aber Kleist hat sich künstlerisch abgemüht damit und konnte doch nicht mehr. Bitte von Traumatisierten nicht auch noch das abverlangen!

Und Missbrauch und Trauma sind keine individuellen Katastrophen. Die gesellschaftlichen Folgen sind verheerend! Wir sollten endlich die gesellschaftliche Dimension sehen und vor diesem Hintergrund verstehen lernen, warum unsere Gesellschaft so ist, wie sie ist!

ANNETTE WANNER, Stuttgart

Auf Kosten der (Super-)Reichen

■ betr.: „Das Billionending“, taz vom 20. 10. 11

Das neue Projekt geht völlig daneben. Denn schon die Anleger werden dadurch nicht beeindruckt sein.

Sie kaufen die Staatsanleihen ja nur deshalb, weil sie damit rechnen, dass die Staatshaushalte immer wieder wegen der ganzen Summe angezapft werden. Dass das künftig nur noch mit 20 Prozent möglich sein sollte, glaubt niemand, denn die Situation wird die gleiche sein wie heute.

Erst ein Schuldenschnitt wird zum Umdenken zwingen, und der muss kräftig sein, weil andernfalls nach kurzer Zeit wieder ein neuer Schnitt notwendig werden würde.

Allen muss endlich klar werden, dass die Staatsschulden in aller Welt nie mehr zurückgezahlt werden können und dass nicht einmal die laufenden Ausgaben aus dem bisherigen Staatsanteil an der Wertschöpfung zu decken sind.

Die Konsequenz kann nur sein, den Staatsanteil zu erhöhen, und zwar endlich auf Kosten der Reichen und Superreichen, deren Steueranteil von blauäugigen Politikern skandalös laufend gesenkt worden ist.

ALFRED MAYER, München