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Archiv-Artikel

Mit Sturheit gegen den Murks

SACHKUNDE Jetzt hat er schon wieder eine Idee. Zu Besuch bei Stefan Schridde, dem unbeirrbar hartnäckigen Kämpfer gegen den Verschleißirrsinn und Gründer eines aufschlussreichen Murks-Showrooms in Tempelhof

Schridde interpretiert den Kapitalismus schlüssig aus einem kleinen Zahnrad

VON ANDREAS BECKER

Mitten im Raum ist eine große Pfütze. Dahinter steht eine asbachuralte Waschmaschine. Eine AEG Lavamat, wie aus dem Museum. Mit nur einem Drehknopf, ganz simpel gebaut und ewig haltbar. Die Maschine hat Stefan Schridde von einer Nachbarin geschenkt bekommen. Der hat er eine gebrauchte Neue vermittelt, denn die halten viel länger als wirklich Neue. Die haben Teile aus Kunststoff, wo früher mal Metall ewig hielt. Jetzt haben Waschmaschinen nur noch eine Haltbarkeit von knapp 7 Jahren, früher rund doppelt so viel.

Alles Absicht, sagt Schridde, Diplom-Betriebswirt. Und er kann es beweisen. In seinem Murks-Showroom am Mariendorfer Damm führt er das Innenleben diverser Maschinen vor und zeigt die neuralgischen Stellen. Meist sind die Markenschilder überklebt, Schridde nennt aber auch gerne Namen.

Und er wurde noch nie verklagt, obwohl er den Unternehmen ja unterstellt, absichtlich Dinge zu fabrizieren, die früher kaputt gehen, als sie müssten. Seit Dezember 2014 hat er ihn nun, seinen Murks-Showroom. Was im letzten Jahr im Gebäude der IG Metall in Kreuzberg erfolgreich ausgestellt wurde, hat jetzt den Weg in einen ehemaligen, schon länger leer stehenden Innova-Laden gefunden. „Heute treffen sich die Ingenieure nicht, um die Dinge zu verbessern, sondern es kommt einer und sagt: das ist nach 4 Jahren kaputt gegangen, warum halten die anderen Bauteile viel länger? Wo können wir da noch was einsparen?“

Stefan Schridde, gebürtiger Oldenburger, kämpft mit einer angenehm niedersächsischen Sturheit, seit rund 5 Jahren gegen die geplante Obsoleszenz, also den gewollten Verschleiß. Er regt sich so doll darüber auf, dass er richtig rot davon wird. In seiner kleinen Wohnung in Berlin Weißensee hat er unzählige Beweisstücke gesammelt. Er fuchtelt mit einem weißen Kunststoffstab herum, der mal Zähne putzen konnte. Eine elektrische Zahnbürste, von denen die Industrie (fast alle sind von Braun-Oral-B Mutterkonzern Procter&Gamble) behauptet, man könne sie nicht mit austauschbaren Akkus bauen.

Schridde sagt dazu: „Ich hab mir gedacht, ich säg die mal auf. Und dann ist da ne ganz normale Akkubatterie drin. Das ist eigentlich sogar Sondermüll. Braun sagt: Im Badezimmer ist es nass. Da sag ich: warum gibt’s dann Unterwasserkameras mit Austauschakku?“ Sogar im KaDeWe gibt’s trotz großer Auswahl keine einzige E-Zahnbürste mit austauschbarem Akku. Nur eine mit Batterien, bei der das Fach aber kaum zu öffnen ist.

Noch schlimmer und noch mehr Müll produzierend sind Drucker. Auch die nimmt BWler und Murks-Dozent Schridde auseinander und stapelt sie wie eine Skulptur. Bei älteren findet er einen Zähler, der bis 1.500 Kopien zulässt und dann eine Fehlermeldung raushaut. Wenn man den Zähler auf Null stellt, druckt das Gerät brav weiter. Nur, wer findet den Zähler? Denn Schrauben werden heute oft so gebaut, dass sie nur mit Spezialwerkzeug zu öffnen sind. Apple entwirft für jedes neue iPhone ganz neue Schrauben, die Akkus waren bei den ersten Telefonen der Kalifornier auch nicht tauschbar. Auch beliebt: Geräte werden gar nicht verschraubt, sondern lieber unreparierbar verklebt.

„Dieses Jahr, wird das Jahr der Gesetze“, sagt der 53-jährige Schridde plötzlich. Er geht davon aus, dass ein Verbraucherschutzgesetz her muss, dass den Verschleißirrsinn begrenzt. In Frankreich und besonders in Österreich sei man da schon weiter.

Schridde kann es nicht leiden, wenn man behauptet, wir lebten in einer Wegwerfgesellschaft: „Bei der Wegwerfgesellschaft haben wir es mit nem Mythos zu tun. Ganz viele Leute wollen ihre Sachen ja auch vererben. Wir müssten von Wegwerfwirtschaft sprechen.“

Schridde scheint sich gern in Details zu verlieren. Aber es sind eben genau die Kleinbauteile, die vielen Geräten den vorzeitigen, unnötigen Tod bescheren. Insofern ist die radikale Kritik an einem 5-Cent-Kaffeemaschinenbauteil beim Blick auf das Murks-Nein-Danke Gesamtuniversum eben eine exemplarische Radikalkritik am Gegenwartskapitalismus. Wenn andere die Welt aus der Nussschale erklären, interpretiert Schridde den Kapitalismus schlüssig aus einem kleinen Zahnrad. In seinem Buch stellt er denn auch die berühmte „Systemfrage“.

„Produktverantwortung liegt ganz klar beim Hersteller und beim Handel.“ Schridde, umtriebig wie er ist, verhandelt grade mit einem großen Handelskonzern, den er noch nicht verraten kann, die Rückmeldungen von seinem Verein Murks-Nein-Danke an den Händler zu schicken. Der könnte dann Produkte aus dem Regal nehmen.

Schridde aber ist sowieso eine unstoppbare Ideenmaschine. Den jetzigen Murks-Center Standort in der Nähe der Ufa-Fabrik, hat er über die in Tempelhof ansässige „Berliner Baugenossenschaft“ gefunden. Denen hat er in einem ehemaligen Waschraum ein Repair-Cafe eingerichtet. Und da Schridde eben im Detail denkt, hat er den „kleinen Mann“ als Anti-Schrott-Kommunikator gleich wieder mitgedacht. Und so werden demnächst 50 Hausmeister der Genossenschaft auf die schlimmsten Auswüchse der Plan-Obsoleszenz geschult. Denn wer wird als erster gerufen, wenn die Waschmaschine die Bude flutet?

Das Problem bei der Bekämpfung der absichtlichen Murksigkeit ist auch die Konkurrenz zwischen den Herstellern. Es wäre zwar möglich, einen günstigen Handmixer zu bauen, der 30 Jahre hält, der wäre aber vielleicht ein wenig teurer. Niemand schreibt ja auf die Verpackung: hält ewig. Und der Handel hat natürlich Interesse, möglichst häufig Mixer zu verkaufen.

Inzwischen hat Schridde auch ein Anti-Murks-Buch geschrieben, das grade in der zweiten Auflage erscheint. Kritiker, die ihm Verfolgungswahn unterstellen, werden weniger. Ein Problem aber bleibt der Käufer. Ob man ihn nun, wie Schridde, Pro- oder Konsument nennt. Wer sich öfter als alle 2 Jahre ein neues Smartphone besorgt, weil er es eben toll findet, dem ist auch nicht mit Bauteilen geholfen, die 10 Jahre halten. Verrückt bleiben aber Mixer, die nach einer Minute Betrieb ausgeschaltet werden müssen, weil sie sich sonst überhitzen.

Beim Überqueren der Straße vorm Murkseum, hat Schridde schon wieder eine Idee. Der leuchtende Reklame-Würfel für eine nicht mehr existente Apotheke könnte prima zu einer Murkseums-Reklame umfunktioniert werden. Würde sicher lange leuchten.

Buch: Stefan Schridde. „Murks? Nein Danke!“. Oekom Verlag 2014

Info-Laden: MurksCenter, Mariendorfer Damm 16, 12109 Berlin. Mehr unter www.murks-nein-danke.de