So ist er, der Bückeburger

Wenn ein deutscher Richter urteilt: Mildernde Umstände für einen Vergewaltiger – weil der aus Sardinien stammt

Dass da, im Januar 2006, zwei Welten aufeinander stießen – das verraten schon die Namen der Beteiligten: Freiherr Bürries von Hammerstein aus Bückeburg, Präsident am Landgericht der niedersächsischen Stadt, und Maurizio Pusceddu aus Cagliari auf Sardinien, Kellner in einer Bückeburger Eisdiele.

Der eine, Pusceddu, war eines üblen Verbrechens angeklagt: Drei Wochen hatte er seine litauische Freundin gefangen gehalten, sie immer wieder vergewaltigt, geschlagen, gefoltert. Und der andere, Freiherr von Hammerstein, hatte darüber zu richten. Am Ende kamen sechs Jahre Haft heraus. Die aber will der Sarde Pusceddu in seiner Heimat verbüßen; er beauftragte eine Anwältin aus seiner Heimat, den nötigen Antrag zu stellen. Doch als die das Urteil las, traute sie ihren Augen nicht. Mildernd rechnete nämlich von Hammerstein „die ethnische und kulturelle Prägung“ des Sarden an und schwadronierte vom „Rollenbild des Mannes und der Frau, das in seiner Heimat herrscht“; jenes „Rollenbild“ sparte dem Täter unter dem Strich rund zwei Jahre Haft.

Wahrscheinlich wusste der Freiherr nicht besonders viel von Sardinien, außer dass es von dunkelhaarigen und glutäugigen, meist recht klein geratenen Kerlen bewohnt wird, die schnell die Fassung verlieren, von wegen Eifersucht, Ehre und so weiter.

Erst einmal aber verlor Pusceddus Anwältin – und Sardin – Annamaria Busia die Fassung und leitete das mit Freizeit-Völkerkunde angereicherte Urteil nicht bloß ans Gericht in Cagliari, sondern auch an die italienischen Zeitungen. Die räumten Doppelseiten frei, um ihrer Empörung Luft zu machen; zu den zurückhaltenderen Kommentatoren gehörte Renato Soru, Gouverneur von Sardinien, der knapp festhielt: „Das Urteil zeigt, dass die Dummköpfe existieren.“ Nicht einmal von der Mutter des Vergewaltigers gab es Unterstützung für den Bückeburger Richterspruch: „Wenn mein Sohn das wirklich getan hat, verdient er – Sarde oder nicht Sarde – keine mildernden Umstände.“

Und ansonsten wurden in Italiens Medien prominente Sarden interviewt, mit dem immer gleichen Tenor: Wenn überhaupt, dann hat Sardinien wegen seiner alten matriarchalen Traditionen eine Sonderstellung in Italien.

Nur eine hält dem Freiherrn von Hammerstein noch die Stange – seine Nachfolgerin am Bückeburger Landgericht, Birgit Brüninghaus. Sie scheute auch nicht die Gefahr, sich per Einlassung gegenüber dem Corriere della Sera nicht bloß mit den Sarden, sondern auch mit einem zweiten im Süden siedelnden Völkchen anzulegen: Ob auf Sardinien „oder in Bayern“, es gebe nun einmal „Enklaven, in denen die Beziehung (zwischen den Geschlechtern, die Red.) durch die Eifersucht reguliert wird und wo man denkt, dass die Frau im Haus zu bleiben hat“.

Wir warten auf das nächste Bückeburger Urteil, mit Ethno-Bonus für bayerische Missetäter.MICHAEL BRAUN