: Jetzt reicht’s
Millionen Kunden sind sauer – und sie haben allen Grund dazu. Denn nicht nur die großen Konzerne Eon und RWE wollen ihre Preise um bis zu 10 Prozent erhöhen. Auch viele kleine Unternehmen ziehen nach. Der unabhängige Informationsdienst Verivox rechnet damit, dass 300 Firmen demnächst mehr Geld verlangen. Rund 200 Stromlieferanten haben dieses Jahr bereits die Preise angehoben, darunter auch der Vattenfall-Konzern.
Die offizielle Begründung kann man vergessen. Immer wieder verweisen die Konzerne auf gestiegene Rohstoffpreise. Tatsächlich besitzen die Energiekonzerne eigene Unternehmen, die Kohle fördern. 90 Prozent der heimischen Braunkohle geht in die Kraftwerke und wird innerhalb des Konzerns verrechnet. Zu welchem Preis, weiß selbst der deutsche Braunkohleverband nicht. Und wer aus dem Ausland etwa Steinkohle dazukaufen muss, zahlte 2007 zwei Euro weniger als noch 2005.
Entscheidend in der Kalkulation der Strompreise dürfte hingegen der Wegfall der Preisaufsicht in den Bundesländern sein. Bis zum 1. Juli gab es noch diese Kontrollbehörden, die jede Erhöhung des Endkundenpreises genehmigen mussten. Sie wurden abgeschafft, weil ja der Markt alles regeln soll.
Tut er aber nicht. Denn noch sind alle Stromanbieter auf die Übertragungsnetze der großen Konzerne angewiesen – und diese nehmen hohe Gebühren dafür. Zwar gibt es mittlerweile eine Regulierungsbehörde, die schon für sinkende Preise gesorgt hat. Aber offenbar wollen sich die Konzerne nun das entgangene Geld vom Kunden wiederholen.
Die Politik macht zwar weiter Druck, in Berlin wird an einem neuen Wettbewerbsrecht gearbeitet, in Brüssel der Zwangsverkauf der Netze diskutiert. Allerdings werden die Stromkonzerne mit all ihrer politischen Lobby diese Vorhaben zu verwässern wissen. Aber wer vertraut schon auf die Politik? Wer schon länger über einen Wechsel des Stromanbieters nachdenkt, hat jetzt neue Argumente. Niemand muss die Preiserhöhungen einfach hinnehmen.
STEPHAN KOSCH
Informieren
Vor dem Wechsel zu einem neuen Stromanbieter ist es ratsam, Informationen zu sammeln. Internetnutzer informieren sich zum Beispiel unter www.verivox.de über die verschiedenen Anbieter. Alternativ stehen Seiten wie www.stromtarife.de oder www.stromauskunft.de zur Verfügung.
Wichtig ist, den Jahresverbrauch in Kilowattstunden bereitzuhalten. Mit diesen Informationen können die schnell zu findenden Strompreisrechner der Seiten gefüttert werden.
Aber auch ohne Internet sind die Informationen einfach zu bekommen. Die Verbraucherzentralen unterstützen mit einer aktuellen Kampagne den Wechsel. Sie bieten Beratungen sowie Pakete mit Infomaterial – kostenlos und zum Abholen.
Bei der Anbietersuche tauchen oft die scheinbar günstigen Flex-Tarife auf. Per Vorkasse kauft sich der Verbraucher ein vorher festgelegtes Kontingent an Kilowattstunden. Aribert Peters vom Bund der Ernergieverbraucher und die Verbraucherzentralen warnen aber vor diesen Tarifen. Überziehe man das gekaufte Kontingent, dann werde es richtig teuer. Verbrauche man weniger, dann habe man den Rest umsonst gebucht und er verfällt. Auch Strom-Discounter, die oftmals größeren Mutterkonzernen gehören, seien nur scheinbar eine Alternative. In Wirklichkeit fördere man damit doch die großen Konzerne und trage zur Monopolisierung auf dem Strommarkt bei, sagte Peters.
Für umweltbewusste Verbraucher dürfte der Bezug von Ökostrom eine Alternative bieten. Zertifikate wie „ok-Power“ oder „Grüner Strom“ sichern dabei den Nachweis, woher der Strom kommt. Der zertifizierte Anbieter Lichtblick setze zum Beispiel komplett auf Strom aus regenerativen Energien, sagte ein Sprecher der Verbraucherzentrale Berlin. Und das grüne Gewissen muss nicht teuer werden. In vielen Städten liegen die Tarife der Ökostromanbieter auf dem selben Niveau wie die der Regionalversorger, manchmal sind sie sogar billiger – ein positiver Effekt der gegenwärtigen Preistreiberei. CHRISTIAN SCHNORFEIL
Wechseln
Wer sich für einen neuen Stromanbieter entschieden hat, hat den schwierigsten Teil hinter sich. Denn für den tatsächlichen Wechsel genügen in der Regel ein paar Klicks und das Ausfüllen eines Formulars im Internet. Wer nicht online ist, kann bei dem neuen Anbieter anrufen und bekommt dann ein Formular zugeschickt, in dem die eigenen Kundendaten eingetragen werden. Einfach abschicken – das war’s. Irgendwann kommt ein Brief des neuen Anbieters, der die Kündigung beim alten Stromlieferanten übernimmt. Auch wenn bestimmte Kündigungsfristen gelten – der Wechsel ist nicht mehr aufzuhalten.
Seit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 haben 13 Millionen Haushalte etwas an ihrer Stromversorgung geändert – von insgesamt 39 Millionen. Allerdings wechselten nur 2 Millionen tatsächlich den Anbieter, die anderen 11 Millionen wählten nur einen günstigeren Tarif beim selben Lieferanten. Dahinter steckt bei vielen Kunden die Angst, dass ein neuer Anbieter im Falle einer Pleite oder bei Windstille nicht mehr liefern kann. Aber keine Sorge, das Licht geht nicht aus.
Der Strom aus der Steckdose kommt ohnehin weiterhin auch aus den Kraftwerken des alten Betreibers. Lichtblick und Co speisen ihren Anteil ins Gesamtnetz ein, und wenn tatsächlich mal ein Windpark oder Wasserkraftwerk ausfällt, stehen Reservekapazitäten bereit. Und wenn ein neuer Anbieter pleitegeht, sind die ehemaligen Monopolisten gesetzlich dazu verpflichtet, die Lieferung wieder zu übernehmen. Das kostet dann zwar etwas mehr, kommt aber mittlerweile kaum noch vor.
Und auch die Trägheit der Kunden nimmt offenbar ab. Der Bundesnetzagentur zufolge wählten allein im ersten Halbjahr 2007 etwa 520.000 Kunden einen anderen Stromversorger, fast so viele wie im gesamten Jahr 2006. Neben dem guten Gefühl, eine passende Antwort auf Preiserhöhungen gegeben zu haben, kann ein solcher Wechsel bares Geld sparen. Die Stromrechnung kann oft um mehr als 100 Euro im Jahr sinken, sagen Verbraucherschützer.
S. KOSCH, P. MATTHEIS