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Archiv-Artikel

Es soll uns eine Leere sein

Meditieren entspannt und ist gesund, manche erleben sogar eine Art Erleuchtung. Ob sich jemand per Yoga, Konzentration auf einen Gegenstand oder Gesang in völlige Versenkung begibt, ist in erster Linie eine Sache des persönlichen Geschmacks

VON JUTTA SCHULKE

Wer nach der Leere sucht, trifft zuerst auf eine Fülle an Fragen. „Welche Arten von Meditation gibt es überhaupt?“ Oder: „Was ist der Unterschied zwischen Meditation und Entspannung?“ Die Antworten führen schnell in ein Feld aus religiösen Vorstellungen, spirituellen Wurzeln und modernen westlichen Ablegern. Vom Buddhistischen Tor bis zum Sivananda Yoga Vedanta Zentrum bieten Meditationszentren nicht nur in Berlin zahlreiche Kurse und Workshops an. Bücher und CDs für Anfänger, Dummis und Eilige vermitteln Spiritualität im Handumdrehen und die Bauanleitung für einen Mini-Zen-Garten ist schnell heruntergeladen.

Doch die passende Meditationsart für unterschiedliche Symptome, Persönlichkeiten, Altersgruppen oder Geschlechter vorherzusagen, fällt selbst Fachleuten schwer: „Es ist gar nicht wichtig, die verschiedenen Methoden auseinanderzupflücken. Jeder muss sich das aussuchen, was ihm persönlich am meisten zusagt“, meint Anke Rebetje, Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit im Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland. „Denn Meditation selber geschieht einfach. Es ist der Zustand, in den man am Ende der erlernten Übungen fällt, und die Weite dahinter.“

Ob der Einzelne die Bewegungsabläufe meditativer Kampfkünste wählt oder den klassischen Lotus-Sitz mit Konzentration auf Gegenstände oder Wörter bevorzugt, hängt von persönlichen Vorlieben ab. Entscheidend ist die Konzentration auf eine Tätigkeit, die dann in eine völlige Versenkung und damit zu einem anderen Bewusstseinszustand führt. So gesehen, können Gesang, Musizieren und selbst Gehen meditativ wirken. Und wie steht es mit Autogenem Training, Traumreisen oder Muskelentspannung nach Jacobson? „Der Unterschied liegt im völligen Zurückziehen der Sinne. Die benötigen Sie zum Beispiel bei Traumreisen ja noch, weil Sie zuhören müssen. Beim Meditieren sind Sie präsent und gehen gleichzeitig über alles, was um Sie herum ist, hinaus“, erklärt Rebetje.

Die Wurzeln der Meditation liegen in den Religionen. Die wohl bekannteste Form, das Yoga, entspringt dem Hinduismus; die Wege des Zen entstammen dem Buddhismus. In den 1960er-Jahren sorgten spätestens die Beatles dafür, dass Meditieren keine rein östliche Angelegenheit blieb. Streng genommen war es das allerdings noch nie: Vierzig Tage und Nächte in der Wüste zu fasten, galt zu Jesu Zeiten ebenfalls als Meditation, und nicht nur christliche Mönche sind in der Lage, sich im Gebt in eine tiefe innere Ruhe zu versetzen.

Ungeachtet jeder Religion: Meditieren dient nicht nur der Erleuchtung, sondern auch der Gesundheit. Herbert Benson, Leiter des Mind/Body Medical Institute in Boston, entdeckte bereits in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts an 15 freiwilligen Studenten, dass ständig wiederholte Wörter und die Konzentration auf sich selbst positive Auswirkungen auf Bluthochdruck und Kopfschmerzen haben.

Heute untersuchten Sportmediziner immer häufiger die Auswirkungen von Yoga auf die Gesundheit, berichtet Rebetje. Die positiven Ergebnisse für Wirbelsäule und Entspannung veranlasst auch Krankenkassen, die Kosten für Meditationskurse zu erstatten. „Wir bieten Kurse in Tai-Chi, Qigong und Yoga an, zur Prävention von stress- oder haltungsbedingten Krankheiten“, sagt Gabriele Rähse, Pressesprecherin der AOK Berlin. Anke Rebetje, die seit 25 Jahren eine Yogaschule in Essen leitet, erklärt die Yogawirkung auf das Wohlbefinden so: „Gesundheit hängt nach der Yogi-Lehre von der Beweglichkeit der Wirbelsäule und dem harmonischen Miteinander der Bauchorgane ab. Bei sportlichen Übungen werden diese Bereiche zwar auch stimuliert, aber man ist nervlich dabei angespannt. Anders beim Yoga. Dort entspannt der Körper zugleich durch langes Ausatmen.“

Rebetje begann im Alter von 14 Jahren mit Meditation, weil ein Rückenleiden drohte, das sie künftig an einen Rollstuhl fesselt, und sie außerdem an Asthma litt. Heute spüre sie davon nichts mehr. Der Idee, meditieren per Buch oder CD zu lernen, steht sie zwiespältig gegenüber. Einfache Übungen ließen sich allein ausprobieren. Kritisch würde es aber, sobald jemand in tiefere Bewusstseinszustände vordringe: „Wenn du Lichterscheinungen hast, aus deinem Körper heraustrittst, dir selber begegnest – das kann schon furchtbare Angst machen.“ In solchen Momenten sei es wichtig, einen erfahrenen Lehrer an der Seite zu haben. Doch mit welchen Übungen der den Einzelnen zur Leere führen soll, ist eine Sache des persönlichen Geschmacks.