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Archiv-Artikel

Aus der Komfortzone

SKI WM Fritz Dopfer und Felix Neureuther gewinnen im Slalom Silber und Bronze. Es ist der Lohn für konstant gute Leistungen in dieser Saison

BEAVER CREEK taz | Nur ein paar Stunden nach dem letzten Wettkampf der Ski-WM herrschte in Vail überall wieder Ruhe. Fast überall, denn in einem kleinen, urigen Restaurant namens „German House“ war die Hölle los. Felix Neureuther und Fritz Dopfer hätten sich keinen besseren Ort vorstellen können, ihre Slalom-Medaillen zu feiern. Es gab bayerisches Bier und deutschen Sekt. Dass Neureuther im Gegensatz zu Dopfer Letzteren nicht nur trank, sondern damit auch kräftig um sich spritzte, gehört zu einer feuchtfröhlichen Party.

Beim Feiern mag Neureuther in der Regel Dopfer etwas voraus haben, am Sonntag im Rennen war es aber andersherum: Dopfer landete vor dem Teamkollegen, er gewann Silber, Neureuther Bronze. Außerdem komplettierte der junge Münchner WM-Debütant Linus Strasser mit einem zehnten Platz die glänzende Mannschaftsleistung. Zum ersten Mal seit 28 Jahren standen wieder zwei deutsche Skirennläufer bei einer WM auf dem Siegerpodest. 1987 in Crans-Montana hatte Frank Wörndl Gold geholt und Armin Bittner Bronze, ebenfalls im Slalom. Damals war der Erfolg eine Überraschung, dieses Mal der Lohn für konstant gute Leistungen.

Bei 13 der vergangenen 16 Slaloms stand Neureuther auf dem Podest. Dopfer war immer wieder nahe dran am großen Triumph: In Adelboden im Januar fehlten ihm zwei Hundertstelsekunden zum Sieg, bei Olympia im Vorjahr fünf Hundertstelsekunden zu Bronze – auch deshalb stand er bisher meist im Schatten von Neureuther.

Im Athletenkorridor hatten Dopfer und Neureuther am Sonntag ein Wechselbad der Gefühle durchlebt. Sie waren mit einem respektablen Rückstand auf die Medaillenplätze in den zweiten Durchgang gegangen. Dann drehte sich das Blatt zugunsten der Deutschen. Sie hatten sich nach vorne gearbeitet, lagen nun hinter dem Franzose Jean-Baptiste Grange auf den Plätzen zwei und drei. Als nur noch der Führende, Marcel Hirscher, kam, hatte Dopfer Bronze schon sicher – und Neureuther ein Déjà-vu. „Es war wie beim Riesenslalom am Freitag, Auch da stand nur noch Marcel oben, und als er unten war, war ich Vierter“, sagte er. Gleiches befürchtete er im Slalom. Aber dieses Mal kam der Österreicher nicht ins Ziel. Während Dopfer sein Glück nicht fassen konnte, immer noch den Kopf schüttelte, als er eine halbe Stunde später aufs Podest kletterte, reagierte Neureuther verhalten. Die zweite Einzelmedaille nach Silber vor zwei Jahren sei zwar „eine Befreiung, aber ich weiß sehr wohl, dass ich großes Glück hatte“.

Dass Dopfer überhaupt starten könnte, war vor ein paar Tagen gar noch unklar. Wegen extremer Rückenbeschwerden konnte er kaum trainieren. „Ich war schon unsicher, ob das funktioniert“, gibt er zu. „Aber das Kämpfen hat sich gelohnt.“ Das hätte jedoch vermutlich nichts genutzt, wenn Dopfer nicht über seinen Schatten gesprungen und an seine Grenzen gegangen wäre. Zuletzt sei er vor allem in den zweiten Durchgängen wieder „eher auf Verwalten gefahren“, statt sich am Limit zu bewegen, gibt er zu. Dass er dieses Mal den Weg aus der „Komfortzone“, wie er es selbst bezeichnet, fand, „war das Wichtigste und, ich denke, der Schlüssel zu dieser Platzierung.“ ELISABETH SCHLAMMERL